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Arne Gabius läuft Zeit für die Geschichtsbücher

2015-10-25_00998

Vielleicht nimmt die Geschichte des Marathon-Laufs in Deutschland mit dem 25. Oktober 2015 eine entscheidende Wendung. Es wäre wünschenswert. Arne Gabius hat auf Frankfurts Straßen mit seiner neuen Bestzeit von 2:08:33 Stunden nicht nur Geschichte geschrieben. Sondern einen immerhin 27 Jahre alten deutschen Rekord auf den 42,195 km – aufgestellt von Jörg Peter mit 2:08:48 Stunden 1988 in Tokio – trotz Schwierigkeiten ab der km-Marke 25 mit einem beherzten Kampf auf den letzten 17 Kilometern um 15 Sekunden verbessert. Das war die Nachricht des Rennsonntages und der Weckruf bzw. das Signal an die deutsche Laufszene: Es ist trotz aller Widrigkeiten des deutschen Förder- oder eben Nichtförder-Systems möglich, sich den Gegebenheiten entgegenzustellen. Und mit individuell zielgerichtetem Training auf der Königsdistanz der Langläufer nicht nur der afrikanischen Übermacht zu trotzen und als weißer Läufer in ungeahnte Zeitbereiche zu laufen, sondern als Gesamt-Vierter auch an der Spitze einer der renommiertesten Marathon-Läufe der Welt mitzumischen.

Auf jeden Fall war die Performance von Arne Gabius beim heutigen Frankfurt Marathon unvergleichlich und an Spannung kaum zu überbieten. Ambitioniert in der auf Befehl der Rennleitung zunächst für internationale Verhältnisse relativ verhalten startenden Spitzengruppe fand er früh sein Tempo und rollte mit den Favoriten bzw. persönlichen Pacemakern und denen der eigentlich schnelleren Konkurrenz immer im Soll mit. Wobei man angesichts der kongenialen Live-Übertragung durch den Hessischen Rundfunk während des Rennens zum Teil den Eindruck gewann, es wäre sogar der Gesamtsieg oder der Europarekord möglich. Diese Überlegungen wurden durch das homogene Tempo der bis zur „Alten Brücke“ sehr einträchtig laufenden Spitze lange genährt, erwiesen sich dann jedoch als Trugschluss. Denn genau hier erfolgte eine wohlkalkulierte Taktikänderung, die Unruhe in die Gruppe brachte – ausgerechnet durch den späteren Sieger. Bis zu dieser Stelle im Rennen respektierte man den schnellen Deutschen, der nie auch nur Anstalten machte, einzubrechen, jedoch am Ende der Phalanx verständlicherweise keine Führungsarbeit übernehmen konnte. Aber man signalisierte ihm auch deutlich: Das Rennen heute wirst Du nicht gewinnen.

Arne Gabius sah dies alles und fokussierte sich frühzeitig sichtbar auf den deutschen Rekord, der ihm ja ohnehin am meisten Anerkennung einbringen würde. Neben dem deutschen Meistertitel, der offiziell ausgeschrieben, natürlich mehr als sicher war und nebenbei viele Vereins- und Altersklassenläufer in die Main-Metropole gelockt hatte. Von daher sah die Attacke des späteren Siegers bei km 10 auch mehr wie ein Ausrufezeichen in eigener Sache aus. Gabius schien ungerührt und lief weiter sein Tempo im 2:07-Express. Das einzig Richtige. Dies hatte er bereits im Vorjahr beherzigt und in 2:09:32 Stunden nicht nur seine eigene erfolgreiche Marathon-Premiere, sondern auch die deutsche Bestmarke quasi mit Ansage ins Visier genommen.

Doch dann die Schrecksekunde kurz nach der Halbmarathon-Marke: Gabius fasst sich an die Seite und seine Gesichtszüge verzerren sich vor Schmerz. Ausgerechnet auf dem Rückweg in die City und ausgerechnet auf der Mainzer Landstraße, die mit ihrer langen Geraden immerhin 10% der Gesamtstreckenlänge ausmacht. Man musste Angst bekommen angesichts der Bilder im TV, doch entgegen aller Unkenrufe und Super Slomos von Gabius lief er seinen Stiefel einfach weiter runter. Auf Platz 9 liegend sammelte er auf den letzten fünf Kilometern sogar noch einige Konkurrenten aus der Spitzengruppe ein und verfehlte am Ende nur knapp das Treppchen.

Egal, geschafft, das große Ziel erreicht. Niemals zuvor hörte man Artur Schmidt auf der Zielgeraden unterhalb des Messeturms kurz vor dem Knick in die Festhalle live derart anfeuern. Am liebsten wäre man selbst dabei gewesen. Erst recht, wenn man aus der Übertragung jeden Winkel des Parcours aus eigener Anschauung rekapitulieren konnte. Das war Gänsehaut pur. Und das Sahnehäubchen kam fast genau 20 Minuten später im Blitzlichtgewitter an. Lisa Hahner verbesserte in 2:28:39 Stunden ebenfalls ihre Bestzeit deutlich und wurde deutsche Meisterin. Über den Sinn und Zweck einer Olympia-Norm, ob nun verpasst oder um ein paar lächerliche Sekunden überzogen, müssen wir an dieser Stelle wohl nicht länger diskutieren.

Ergebnisse

Foto: Photorun

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