laufmonster.de

Laufmonster.de

Wer lange läuft, der ist hier richtig!

Jungfrau reloaded – im Ziel mit einem Jahr Verspätung

2013-09-14_00054.jpg

Nach dem gesundheitlich bedingten Abbruch beim Jungfrau Marathon 2012 stand schnell fest, dass ich es 2013 wieder versuchen würde. Der Marathon wurde zurecht letztes Jahr zum Marathon des Jahres gewählt und ich musste ihn einfach in meine „Finisher“-Liste aufnehmen. Daher suchte ich bereits früh bei den Laufmonstern nach möglichen Mitstreitern und Manni sowie Micha ließen sich schnell überzeugen. Michael war es dann auch, der uns ein herrliches Chalet im strategisch günstig und wunderschön gelegenem Urlaubsörtchen Grindelwald besorgte. Donnerstag bis Sonntag Berner Oberland war unser Plan, samstags war Marathontag. So konnten wir in aller Ruhe anreisen, unsere Startunterlagen abholen und die tolle Gegend z.B. während des letzten kurzen Vorbereitungsläufchens genießen.

Meine Vorbereitung war gut, keine Verletzungen oder Krankheiten, ausreichend Kilometer und nach den letzten 10 Tagen im bayrischen Chiemgau auch noch einige Höhenmeter, wie etwa durch das Ablaufen des Hochfelln Berglaufes vor Wochenfrist. Das Wetter stimmte auch dieses Jahr. Trotz einer anhaltenden Tiefdruckphase schenkte uns Petrus knapp zwei Tage heiteres Wetter mit angenehmen Temperaturen, der Marathon sollte sogar fast gänzlich sonnig verlaufen – einfach herrlich.

Dass wir am Marathonmorgen noch einen ordentlichen Adrenalinspiegel bekamen, dafür sorgte Manni dann noch kurzfristig. Er stellte auf halbem Fußweg zur Bahn fest, seine Startnummer inkl. Chip vergessen zu haben. Sie war allerdings nirgends zu finden, hatte sich letztendlich gut unter seinen Klamotten versteckt, und wir mussten unfreiwillig das Auto nehmen, um der Bahn quasi ein Stück hinterherzufahren. Das tat der guten Stimmung aber keinen Abbruch.

2013-09-14_00016.jpg

Gut gelaunt sortierten wir uns ins Starterfeld ein, ich mit Fotokamera bewaffnet weiter vorne, Manni und Micha etwas weiter hinten. Dieses Mal wollte ich locker an die Sache herangehen, Zeit für ein paar Bilder musste sein, Daniel hatte ja letztes Jahr vorgemacht wie´s geht. Trotzdem war mir ein wenig mulmig, wie es laufen würde, denn die Bilder und das Befinden aus dem letzten Jahr waren ständig im Kopf. Wie würde es mir heute ergehen? Wieder ein Einbruch bereits im ersten richtigen Anstieg? Absolute Leere bereits bei km 30? Hoffentlich nicht!

Entsprechend lief ich langsamer an, die ersten Kilometer in 4:10 bis 4:15 min. Da es hier tellerflach war, liefen viele Teilnehmer deutlich schneller, sodass ich bei km 10 allein über 260 männliche Teilnehmer vor mir hatte. Auch eine kurze Blasenentleerung bei km 9 trug dazu bei. Nach einer stimmungsvollen Einführungsrunde durch Interlaken verläuft die Strecke kurz zum Brienzer See, danach weiter nach Wilderswil. Hier geht es ab km 10 (mit einer 43er Zwischenzeit) erstmals ein Stück bergauf nach Gsteigwiler. Die tolle Stimmung dort entschädigt für den ersten kleinen Kraftakt.

2013-09-14_00020.jpg

Nun verläuft die Strecke landschaftlich schön entlang eines Gebirgsbaches ins langgezogene Tal nach Lauterbrunnen, mal über Wiesen, mal waldig. Nach weiteren kleineren Anstiegen erreichten wir Lauterbrunnen bei km 20. Am Ortseingang lag sogar ein blauer Teppich aus. Jubelnde Zuschauer peitschen einen durch den Ort bis zur Halbmarathonmarke. Hier war ich mit 1:36 h mehr als 5 min langsamer als letztes Jahr – das passte.

2013-09-14_00022.jpg

Nun kommt eine tückische 4 km Schleife weiter durchs Tal, denn es geht mehr bergab als bergauf und viele Läufer beschleunigen hier und verschießen einige Körner. Ich lief locker meinen Stiefel weiter und ließ noch ein paar Läufer passieren, denn das Rennen beginnt erst bei km 25,5 – die berühmt berüchtigte Wengener Wand beginnt.

2013-09-14_00026.jpg

Mit durchschnittlich 20% Steigung geht es in Serpentinen die nächsten 2 km steil bergauf. Ab hier ist die Kilometrierung dann auch in 250 Meter Abschnitten angezeigt. Meine Beine waren noch richtig gut und so lief ich ohne Gehpausen Läufer um Läufer überholend nach und durch Wengen. Lediglich kurze Fotopausen warfen mich wieder ein Stück zurück.

Dass Wengen der Stimmungshöhepunkt war, wusste ich noch aus dem Vorjahr. Umso mehr freute ich mich darauf und genoss das Bad in der frenetisch jubelnden und Kuhglocken schwenkenden Menge.

2013-09-14_00031.jpg

Bis km 33 kannte ich die Strecke – hier stieg ich an der letzten Bahnstation Richtung Kleine Scheidegg im Vorjahr endgültig aus – danach begann nun Neuland für mich. Zu meiner Überraschung wurde die Strecke von hier an weniger steil, es begann ein Waldweg. Ich fühlte mich immer noch recht gut und die Zuversicht in mir stieg. Am Hanegg-Schuss passierten wir die Skistrecke der Lauberhorn-Abfahrt, welche die längste im alpinen Ski-Zirkus ist. Bis km 38 verlief der Parcours weiter über einen Wirtschaftsweg, mal mehr, mal weniger steil. Das dicke Ende sollte noch kommen.

2013-09-14_00034.jpgAn der Stelle „Wixi“ bei ca. km 38 wurde eine letzte Zwischenzeit genommen und die Uhr zeigte 3:20 h – das müsste doch locker für unter 4 h reichen. Nun ging es aber in den Single-Trail und es wurde richtig steil. Ich nahm mein letztes Gel, trank ausreichend, und begann die Kletterpartie. Von hier an war auch für mich fast nur noch Gehen angesagt, doch das Feld hat sich hier meist gut sortiert, denn überholen wird nun schwieriger. Die Muskeln wurden müder und die Meter gingen nur langsam vorbei. Ich erreichte ein Stück wo ich fast einen Kilometer der Strecke einsehen konnte, deprimierend, wie steil es da noch bergauf ging. Dann kamen die Alphornbläser. Ich hielt inne und ließ mich von einer der vielen fleißgen Helferinnen fotografieren. Ich nahm wieder die Strecke in Angriff, wurde etwas unkonzentriert, und dann passierte es.

2013-09-14_00037.jpg

An einem felsigen Abschnitt trat ich nicht hoch genug, rutschte ab, kam zu Sturz und zog mir einen Wadenkrampf zu. Ich konnte meinen Fuß nur noch gegen die Wand des Trails stemmen und nichts weiter tun, doch wie ein Engel war sofort ein Streckenposten zur Stelle, zauberte eine Salbe hervor, und begann den Krampf aus meiner Wade zu massieren. Den Dank an die Dame kann ich kaum in Worte fassen. Es dauerte zwar sicherlich 2 Minuten bis ich weiterkonnte und ich zwang leider auch die passierenden Teilnehmer zu einem kleinen Umweg, doch ich war froh dass es überhaupt weiterging.

2013-09-14_00039.jpgMit Schmerzen und vorsichtigen Schrittes, um keinen weiteren Krampf zu riskieren, nahm ich die letzten 2 km in Angriff. Es ging über die Eigermoräne bis weit an den Gletscher. Am Ende der Moräne stand der Dudelsackspieler, der natürlich ein weiteres Bild wert war. Nun war man fast oben. Ein letztes Stück ging es durch eine Senke und ein letztes Mal bergan und um eine steile Felsecke, wo einem Streckenposten stützend die Hand reichen, damit man nicht stürzt.

2013-09-14_00042.jpgFast 41 km waren absolviert und es ging nun stetig bergab. Hier lief ich langsam, wurde noch ein paar Mal überholt, vermied aber weitere Krämpfe. Der Bergsee war erreicht, noch 700 Meter. Links vorbei und ab Richtung Ziel. Bloß kein weiterer Krampf. Ein Blick auf die Uhr – das musste noch für unter 4 Stunden reichen. Daher blieb ich noch einmal stehen, ließ eine schnelle Läuferin passieren, und machte ein Foto. Ich lief weiter.

2013-09-14_00043.jpg

Dann sprang die Zielanzeige beim Durchlauf der Athletin um und zeigte ihre Zeit an: 4:00:01! Oh Nein! Hatte ich doch zu viel getrödelt? Doch ein Blick auf meine Nettozeit gab Gewissheit, ich hatte es in 3:59:57 h noch unter die 4 Stunden-Marke geschafft, wie auch die offizielle Anzeige bestätigte. Das Wasser stand mir in den Augen, ich war überwältigt, vor allem nach der Schmach aus dem Vorjahr. Im Zielbereich brauchte ich fast 10 Minuten und 2 alkoholfreie Bier um mich zu sammeln.

2013-09-14_00052.jpg

Voller Stolz machte ich noch ein paar Bilder, holte meine Sachen, und wollte Micha und Manni gebührend empfangen. Micha hatte sich für 5 Stunden angekündigt, war aber so schnell (4:46:11 h), dass ich ihm schon bei der Ausgabe der Finisher-Shirts in die Arme fiel. Auch ihm standen die Tränen in den Augen. Nun noch Manni, der auf eine Zeit um 5:20 h gehofft hatte. Ich bewaffnete mich mit seinem Fotoapparat, den er in meinen Rucksack gepackt hatte, und ging zu einer Stelle knapp 100 Meter vor dem Ziel. Und Manni hielt Wort und kam nach 5:20:15 h ins Ziel, eine Wahnsinns-Leistung. Manni war sogar im Nachzielbereich zu schnell für meine schmerzenden Waden, so dass ich ihn und Micha erstmal suchen musste. Derweil wurden die Ergebnisse ausgehangen und verkündet und tatsächlich: Manni hat mit 73 Lenzen die M70 gewonnen und wird am Abend zur Siegerehrung nach Interlaken ins Festzelt gebeten. Schon wieder wirft der junge Mann alle unsere Pläne über den Haufen ;-)

2013-09-14_00066.jpgAls ich Manni die Botschaft überbrachte, wurde auch er von den Gefühlen überwältigt. Wir waren alle einfach nur baff. Wir holten uns noch einen leichten Sonnenbrand ab und machten uns langsam auf den Rückweg. Manni wurde bei der Siegerehrung gebührend gefeiert und nahm seinen Platz direkt neben dem amtierenden Marathon Europameister Viktor Röthlin ein, der die M35 gewann. Als verdienten Lohn gab es einen Hotelgutschein für Manni und für uns später Pizza, Bier und Wein.

Dass die Bedingungen ausgezeichnet waren, zeigen auch die Ergebnisse bei den Profis: Streckenrekord bei den Frauen durch Andrea Mayr in 3:20:20 h, zweitschnellste je gelaufene Zeit bei den Männern durch Ndungu Geoffrey Gikuni in 2:50:28 h. Selbst Viktor Röthlin hätte mit seinen 2:53:21 h, die zum dritten Gesamtplatz reichten, in fast jedem anderen Jahr gewonnen.

Mein Fazit: Wer als Marathoni den Jungfrau Marathon noch nicht gelaufen ist, muss hier einfach einmal hin!

Fotos 

13 Kommentare zu „Jungfrau reloaded – im Ziel mit einem Jahr Verspätung“

  1. Was soll man da noch sagen? Wahnsinnsleistung aller drei Monster und ein beeindruckender Bericht mit tollen Bildern. Herzlichen Glückwunsch an Euch Drei sowohl zu den Zeiten, den Platzierungen (Manni, Du bist der Größte!) und überhaupt zum Bezwingen der Strecke.
    Gute Erholung vom Höhentraining!

  2. Herzlichen Glückwunsch!

    Das habt ihr ganz toll hingekriegt!

    Dank dir Manuel für den farbigen Bericht und die Fotos!
    Gute Erholung für Wade und andere schmerzende Körperteile!

    Was ist das bisschen Schmerz gegen den Stolz auf diese Superleistung!?!

  3. Boh, Wahnsinn Ihr 3, Ihr habt meinen vollen Respekt. Gut Micha, dass Du wenigstens beim Monte Sophia ein bisschen trainiert hast. Manuel, ich werde mir Dein Fazit zu Herzen nehmen. Erholt Euch nun gut – bis zum nächsten Stammtisch!

  4. Was für ein Finisher-Foto: Das Triumvirat. Ihr seht so blendend aus! Seid ihr wirklich gelaufen? Spaß beiseite, großer Respekt und herzlichen Glückwunsch zu diesen Leistungen, mit der Teamzeit von 14:06:23.

    Manni, vor Dir möchte ich einmal mehr den Hut ziehen. Ich hab aber keinen. Es wird Zeit, dass ich mir eigens dafür einen kaufe. Und Kutscher, Du bist jetzt auch Tourismus-Manager? Manuel, da war ich ja nur unwesentlich schneller im Ziel, allerdings im RWE-Bergwerk ;-)!

    LG Guido

  5. Herzlichen Glückwunsch euch 3en … ein wirklich toller Bericht … klasse Bilder … und drei glückliche Gesichter … Ihr könnt zu recht Stolz auf euch sein.
    Da wird der „Drachenlauf“ ja quasi ein „Spaziergang“

    Gute Erholung

  6. Hallo Ihr Jungfrauen Bezwinger :-),
    hallo Manuel,
    beindruckende Bilder, ein Bericht, der die durchlebten Schmerzen nachempfinden lässt und drei soooo zufriedene Gesichter. Herzlichen Glückwunsch an Euch Drei.
    Das sind Erlebnisse und Erinnerungen, die Euch ein Leben lang begleiten werden.
    Super!
    Frank

Kommentar verfassen

Nach oben scrollen