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Wer lange läuft, der ist hier richtig!

Herrlich.Höher.Härter…

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Das war das Motto des ersten Gelita Trail Marathon in Heidelberg. Eigentlich wollte ich dieses Jahr gar keinen Marathon laufen. Doch nach einem späten Saisoneinstieg und einer stetig nach oben steigenden Formkurve suchte ich im Sommer nach einer reizvollen Herausforderung für den Spätherbst. Der Köln-Marathon kam zu früh, in Frankfurt war ich schon. Drachenlauf… schon zwei Mal.

Beim Stöbern auf einschlägigen Laufseiten stieß ich immer wieder auf das Banner des Heidelberger Trail Marathon. Da Heidelberg am Rande des Odenwaldes liegt, der wiederum die neue Heimat meines Bruders ist, wäre zumindest hier das Problem von Kost und Logis einfach zu lösen. Die Kombination aus der vollen Marathondistanz und dem laut Veranstalter versprochenen Trails und Höhenmetern reizte mich schon sehr. Trotzdem ließ ich mir bis zwei Stunden vor Ablauf der Voranmeldefrist Zeit. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich nur zwei Läufe länger als 21 km absolviert. Immerhin einmal davon den Testlauf zum Drachenlauf 2013, was zum einen ein super schöner Trainingslauf war und zum anderen zeigte, dass die diesjährigen Streckenmodifikationen den Kultlauf nicht unbedingt reizvoller machten.

Nach dem dann die Einschreibung inklusive Einzug des doch recht happigen Startgeldes erledigt war, gab es kein Zurück mehr. Für eine ernsthafte Marathonvorbereitung sind vier Wochen zwar wirklich zu kurz, aber etwas an der Form feilen war noch drin. Einen Sonntag lief ich 26 km mit immerhin 300 Höhenmetern durch den Königsdorfer Wald, den folgenden Freitag 38 km von meinem Arbeitsplatz nach Hause mit dem Schlussanstieg über die Horremer Höhe. Beide Läufe habe ich gut weggesteckt und so war ich mir fast sicher, dass ich auch diesen Marathon (mein insgesamt Fünfter) zumindest beenden würde. In der letzten Woche vor dem Lauf fand ich die Zeit, die Strecke im Internet genauer zu erforschen. In den Foren wurden zum einem die 1.500 HM des Veranstalters angezweifelt als auch der wirkliche Trail-Charakter in Frage gestellt. Beides sollte es im Zweifel etwas leichter machen. Also nicht zu viel drüber nachdenken und nicht zu oft das Video vom Schlussanstieg zum Königsstuhl auf Youtube ansehen.

Aus Gründen der Sicherheit musste ich mir ein Bahnticket für An- und vor allem Rückreise kaufen, wusste ich doch von den vorherigen Marathons, dass meine Beine nach einer solchen Belastung nicht sonderlich gut auf zwei bis drei Stunden Autofahren zu sprechen wären. So fuhr ich am Samstag Mittag mit der Bahn bis Weinheim, wo mein Bruder mich auf dem Bahnsteig abholte. Tatjana kochte super Spaghetti für das letzte Carbo-Loading und nach zwei leckeren Erdinger Alkoholfrei ging ich recht früh in die dank Zeitumstellung verlängerte Nacht. Diese wurde aber durch ein heftiges Gewitter jäh unterbrochen. Sofort überlegte ich, ob ich nicht doch die groben Trailschuhe statt des „normalen“ Trainingsschuhs schnüren sollte.

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Doch am Morgen hatte sich das Wetter deutlich beruhigt und die Temperaturen waren für Ende Oktober eher ungewöhnlich hoch. Das sollte mir liegen. Ich bin noch nie einen Wettkampf – einigermaßen zufrieden mit mir selbst – mit langer Hose gelaufen. Zumindest das Problem stellte sich also heute nicht. Die Autofahrt von Weinheim nach Heidelberg dauerte nur knapp 30 min. und Thorsten hatte meine Nummer schon am Vortag per Rad abgeholt. So konnte ich völlig entspannt dem frühen Start um 9:00 Uhr auf dem Uni-Platz inmitten der Heidelberger Altstadt entgegenblicken.

2013-10-27_00902.jpgAuf die Minute pünktlich wurden dann die knapp 1.000 Marathonies und zig 5er und 2er Staffeln auf die flache 3 km-Einführungsrunde durch die Stadt geschickt. Das verleitete natürlich zum schnellem Angehen, doch die Beine fühlte sich toll an und das Wetter war perfekt. Nach der ersten Neckar-Querung über die Alte Brücke ging es aber bald das erste Mal heftig bergauf. Teils auf groben Asphalt, teils auf befestigten Waldwegen. Um Körner zu sparen, stellte der Großteil der Läufer in meiner Umgebung auf flottes Gehen um, was aber kaum langsamer war. Das war auch meine Taktik. Ich hatte zwar nur theoretische Streckenkenntnis, doch war klar, dass rein vom Profil und Charakter die letzten 10 km die härtesten werden würden (ist das nicht bei jedem Marathon sowieso schon so?).

2013-10-27_00905.jpgErstes echtes Highlight war das Erklimmen der Tribünenstufen der Thingstätte. Eine (alte, aber fragt nicht wie alt) Freilichtbühne mitten im Wald. Gleich darauf war auch schon der erste Gipfel (Heiligenberg mit 440 m) erreicht und es folgte ein mittelschwerer Downhill, der später in eine recht lange Waldweg- und Asphalt-„Abfahrt“ überging. Doch sofort mit Erreichen der Talsohle ging es wieder steil bis sehr steil bergauf zum „Weißen Stein“ (548 m). Der erste Teil dieses Anstiegs waren auch wiederum echt steile Waldwege, die später stellenweise in etwas weniger steile, aber von Wurzeln gespickte Passagen übergingen. Vom Gipfel des Weißen Steins bis Gipfel des Dossenheimer Kopf (538 m) ging es nur leicht wellig und ohne besondere Steigungsprozente weiter.

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Ab km 20 bis km 29 verlief sie Strecke nun fast durchgehend bergab. Teilweise auf Waldwegen, leider größtenteils auf Oberschenkel-unfreundlichem Asphalt. Mit Abstand der grässlichste Abschnitt und so gar nicht trailmäßig. Ganz unten im Tal (ca. km 29) folgte die zweite Neckarquerung und der wahre Beginn des Trail-Marathons. Kilometer 30 bis 34 verlief teils auf Waldwegen, teils auf Trails, aber absolut asphaltfrei stetig bergauf. Bei km 35,5 trifft man etwa auf halber Höhe auf die „Himmelsleiter“ . Eine Natursteintreppe die mehr Natur als Treppe darstellt. Extrem hohe und unregelmäßige Stufen waren im Bereich der 4 Stunden plus-Läufer absolut unlaufbar. Ich habe so meine Zweifel, ob hier wirklich irgendwer komplett laufen konnte. Mein km Split in dieser Passage sackte auf nahezu 20 min ab.

2013-10-27_00904.jpgOben am Königsstuhl (526 m) hatte der Veranstalter eine LKW-Ladung Kunstschnee verteilt, was bei Temperaturen von fast 20 Grad in viel Matsch enden musste. Zu dem Zeitpunkt dachte ich, ich hätte das Schlimmste überstanden und stürzte mich in den langen Downhill gen Heidelberger Schloss. Der Trail vom Königsstuhl war eine Mischung aus dicken Basaltblöcken und vielen Wurzeln mit ständig wechselnden Gefällprozenten. Leider war der Spaß schnell vorbei, denn nach nur ca. 200 m schoss mir der erste Krampf nach einen Sprung über einen Felsblock in die Wade. Vorbei war es mit dem zügigen zu Tal hüpfen. Wie auf rohen Eiern schlich ich den Trail bergab und ließ einen Läufer nach dem anderen an mir vorbeiziehen. Als es zwischenzeitlich bergab über einen normalen Waldweg ging hatte ich die Vorstellung wieder Geschwindigkeit aufnehmen zu können.

Fehler! Zeitgleich schossen mir die Krämpfe in beide Waden. Ich ließ mich in die Böschung sinken, und zwei Jungs vom nächsten Streckenposten versuchten mir dann netterweise, die Krämpfe wieder aus den Waden zu drücken. Nach 2-3 Minuten halfen mir die Jungs auf meine zittrigen Beine, und ich eierte weiter bergab. Mit frischen Beinen (so wie die Staffelläuer) wäre dieser Downhill über insgesamt 4-5 km sicher ein netter Spass gewesen. Für mich war es eine fast nicht endende Qual. Bei km 41 erreichten wir den Schlossgarten, was ehrlich gesagt alles anderer als ein Highlight war. Keine Stimmung auf den befestigten Wegen. Den Abschnitt hätte man locker abkürzen können, die 42,195km hätte man auch ohne diese Schleife erreicht.

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Die letzten ausgeschilderten 2 km der Strecke waren tatsächlich mindestens 3,3 km lang und die Gesamtlänge somit ca. 43- 43,5km. Wahrscheinlich die Folge der kurzfristigen Streckenänderung am Anfang des Parcours. Die Überlänge war mir aber echt egal, war die Zeit von vorn herein zweitrangig gewesen. Doch als ich endlich wieder auf dem Kopfsteinpflaster der Altstadt war und die Zuschauer jeden Läufer mit Namen lautstark anfeuerten, war ich überglücklich, mich durchgekämpft zu haben. Irgendwo auf den letzten Metern standen auf einmal meine Eltern, die auf dem Weg in den Herbsturlaub just in time kurz in Heidelberg Station machten. Etwas benommen und mit echten Puddingbeinen stand ich am Absperrgitter im Zielbereich und schaute auf die wirklich schöne Finishermedaile. Nach wenigen Minuten mit schwächelndem Kreislauf suchte ich den Massagebereich auf, um mir die immer noch krampfenden Waden kneten zulassen. Das half zumindest so weit, als das ich mich danach in meine trockenen und warmen Klamotten packen konnte.

In der Minute, in der ich wieder in Thorstens Auto saß, öffnete der Himmel seine Pforten und alle Läufer, die zu diesem Zeitpunkt noch unterwegs waren, wurden vermutlich kalt geduscht. Nach einem heißen Bad und lauwarmem Apfelkuchen von Tatjana waren die Lebensgeister wieder geweckt und Thorsten brachte mich zurück zu meinem Zug Richtung Köln. Danke für die super Betreuung und Bewirtung!

Alles in allem war die Premiere des Heidelberger Trail Marathon echt gelungen. An der Organisation selber war nichts auszusetzen, wurde diese ja von dem erfahrenen Orga-Team des Mannheim Marathons übernommen, welcher 2010 bis dahin auch mein letzter voller Marathon war. Zur Strecke: Früher hätte man wohl die schwersten Passagen ausgelassen und der Veranstaltung den Namen “Landschaftslauf“ verpasst. Nur der nicht geschützte Begriff „Trail“ ist heutzutage etwas besser zu vermarkten, weckt aber auch bei etlichen Läufern den Wunsch möglichst wenig auf Asphalt zu laufen. Mir hat es auf jeden Fall gereicht. Einen Tag später fühlte ich mich auch nicht schlechter als nach einem Stadtmarathon, was wahrscheinlich den vielen Gehpausen auf den letzten 10 km geschuldet ist. Ich kann mir vorstellen, diesen Lauf oder einen anderen Marathon abseits von Straßen und jeglichen fixen km-Splits in der Natur zu laufen, aber ob das nächstes Jahr sein muss, lass ich lieber offen.

Und zum Schluss: der Sieger (Marco Sturm/Team Scott) brauchte lediglich 3:01:15 h. Timo Zeiler (mehrfacher Deutscher Berglaufmeister) belegte Platz 5 bei seinem Marathon-Debüt. Und Birgit Lennartz wurde mit 3:59:51 h vierte Frau.

Fotos über Dropbox

Veranstalter/Ergebnisse

Fotos: Thorsten Fink

9 Kommentare zu „Herrlich.Höher.Härter…“

  1. Super! Toller Bericht! Und klasse gemeistert! Schön, noch einen weiteren Trail- und Bergläufer unter den Laufmonstern zu haben ;-)
    Nächstes Jahr kommt erstmal die Zugspitze und vielleicht kannst Du Dich ja dann noch zu einem schönen Landschaftsmarathon motivieren (z.B. Monschau) – das wird dann auch nicht ganz so hart wie der „Trail“.
    Gute Regeneration,
    Manuel

  2. Hallo Daniel … Super Leistung, ein schöner Bericht und die Bilder sind ein beredtes Zeugnis für die Anstrengungen, die hinter dir liegen.
    Nach dem Marathon ist vor dem Marathon (ich leih mir das mal von den Fußballern) … wie wär`s mit Monschau im nächsten Jahr ? …

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