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Fliegender Start beim Vivawest Marathon

2013-05-12_0989.jpgNoch nie hatte ich bei einem Marathon den Start verpasst – in Gelsenkirchen ist es passiert, und das kam so: Wie vereinbart holte mich Laufmonster Michael Pörsch am Wettkampfsonntag morgens um 6:20 Uhr in Köln pünktlich ab, nachdem er zuvor Daniel Graef eingesammelt hatte. Auf sonntäglich ruhigen Autobahnen (ein schwerer Verkehrsunfall mit Vollsperrung war zu unserem Glück auf der Gegenfahrbahn) fuhr uns Michael in sehr angenehmer Fahrt nach Gelsenkirchen, wo wir problemlos, wie in der Ausschreibung allen auswärtigen Teilnehmern empfohlen worden war, einen Parkplatz an der Veltins-Arena fanden.

Nach kurzem Fußweg erreichten wir um 7:30 Uhr die S-Bahn-Haltestelle „Willy-Brandt-Allee“, und das Desaster begann: Schon von weitem erkannten wir, dass der Bahnsteig dem Ansturm der Läufer nicht gewachsen war. Wir reihten uns ein und warteten. Angeblich sollte die Linie 302, die uns zur Haltestelle „Musiktheater“ in der Nähe des Starts bringen sollte, ca. alle 5 bis 7 Minuten fahren. Ganz offensichtlich war dies jedoch nicht der Fall, sondern vermutlich fuhr die Bahn nach Sonntagsfahrplan und dazu noch nicht einmal doppelzügig.

Voll gestopft mit Läufern mussten wir zwei Bahnen nach entsprechender Wartezeit fahren lassen, bevor wir endlich aufgenommen wurden. Ganz Schlaue hatten die Gegenbahn genommen, um nach einer Schleife über die Endstation wenigstens einen sicheren (Sitz-)Platz zu ergattern. Später erfuhr ich, dass sich um 8:00 Uhr so viele Läufer an der Haltestelle angesammelt hatten, dass die Polizei aus Sicherheitsgründen die vorbeiführende zweispurige Strasse sperren musste und per Lautsprecher mitteilte, dass der Start verschoben würde. Manche Läufer schlugen sich als Anhalter durch. Schließlich hatte der Veranstalter Erbarmen und schickte zwei Shuttle-Busse.

Endlich am Musiktheater angekommen, marschierten wir eilig die 400 Meter zum Messezelt auf dem Kennedyplatz, wo die Startunterlagenausgabe zügig erfolgte. Im Kleiderbeutel gab es zwar keine Beigaben, aber es lagen Plastikponchos mit Kapuze zum Mitnehmen aus, von denen wir dankbar Gebrauch machten. Sogar eine Nachmeldung wäre jetzt noch möglich gewesen. In einer Ecke zogen wir uns gemeinsam um, während draußen ein heftiger Schauer niederging, der unsere Kleiderwahl stark beeinflusste. 800 Meter waren es dann bis zur Kleiderbeutelabgabe im Sportzentrum Schürenkamp in der Grenzstraße. Dabei kam uns der Strom der Läufer entgegen, die sich zum Start begaben. Kurz begrüßten wir Manfred Claaßen, denn die Zeit drängte. Während die Männer die Bäume tränkten, reihte ich mich in die Toilettenschlange ein. So verging kostbare Zeit. Auf dem 600 Meter langen Weg zum Start an der Overwegstraße/Ecke Rolandstraße bahnte ich mir einen Weg durch die Jedermann-Staffeln, Schulstaffeln, Walker, Halbmarathonis, lief und kletterte über zahlreiche Absperrgitter, …doch zu spät! Der Start des Marathons war längst erfolgt, wie man mir mitteilte.

Ich hatte keinen Startschuss gehört, auf diesen hatte man auch bewusst verzichtet. Es gab lediglich eine Schweigeminute für die Opfer des Boston-Marathons, und die Läufer ließen zuvor ausgegebene weiße Luftballons zum Gedenken aufsteigen.

Nachdem ich eine Ordnerin gefragt hatte, ob ich noch starten dürfe, lief ich über die Startmatte, die leider keinen Signalton abgab, so dass ich bis heute nicht sicher bin, welche Zeit bei mir gestoppt wurde. Einsam lief ich dem enteilten Läuferfeld hinterher, auch der Applaus der Zuschauer war eher mitleidig bis spöttisch. Zu meiner Erleichterung waren an allen Abzweigungen Ordner postiert und die gesamte Strecke hervorragend gesichert. Was war ich froh, als ich den letzten Läufer eingeholt hatte und beginnen konnte, „das Feld von hinten aufzurollen“!

2013-05-12_00941.jpgDas Motto des VIVAWEST-Marathons: „Laufen, wo das Herz schlägt“ hatte für mich an diesem Tag eine besondere Bedeutung bekommen. Schon nach fünf Kilometern erreichten wir den Höhepunkt der Strecke: Die Zeche Zollverein, ein wirklich beeindruckendes UNESCO Weltkulturerbe. Eine Sambagruppe sorgte bei km 6 für Stimmung und zog entsprechend Zuschauer an. Dort war auch eine der insgesamt 13 Verpflegungsstellen aufgebaut, die im Abstand von ca. 3 Kilometern eingerichtet worden waren. Es gab von Anfang an Wasser, Coca-Cola, Dextro-Energy-Getränke und Bananen.

Auf die angebotenen Schwämme konnte man angesichts des Wetters gut verzichten. Es war kühl, Sonne und Wolken wechselten sich ab, mitunter nieselte es etwas, und dazu ging ein oft unangenehmer Wind. So hielten sich auch die Zuschauerzahlen stark in Grenzen. Manche am Streckenrand hatten Transparente dabi, andere machten mit Ratschen, Trillerpfeifen oder den unvermeidlichen Vuvuzelas Krach.

Immer wieder wurde ich von schnellen Läufern überholt. Der Start war laut Ausschreibungs-Flyer ursprünglich für 11:00 Uhr vorgesehen. Per e-mail wurde informiert, dass er auf 9:00 Uhr vorverlegt wurde. Zitat: „Eine Streckenänderung im Bereich der Zeche Zollverein macht aus logistischen Gründen das Vorziehen der Startzeit auf 9.00 Uhr möglich.“ Nicht alle Teilnehmer hatten davon Kenntnis erhalten, und kamen auch aus diesem Grund zu spät. Staffelläuferin Sabine Kessler aus Köln überholte mich sogar mehrmals. Sie musste nach dem ersten auch den Part des zweiten Staffelläufers übernehmen, da dieser aus oben erwähnten Gründen nicht rechtzeitig eingetroffen war. So wie diese platzten vermutlich weitere Staffeln.

Beim Überqueren der 10 km-Zeitmessmatte in Essen hörte ich erstmals den gewohnten Signalton. Unmittelbar nach einer Linkskurve trafen wir auf eine unerwartete und steile Steigung, die uns einiges abverlangte. Etwas später liefen wir mitten durch das Einkaufszentrum Rathaus Galerie Essen, das teilweise mit einem blauen Teppich ausgelegt worden war. Warm war es dort drinnen – zu warm, und so waren wir froh, wieder an die frische Luft zu dürfen. Einen Marathon läuft man ja üblicherweise auch nicht auf einem Laufband im Fitness-Studio.

Auf dem Kennedyplatz stand der Moderationstruck der Deutschen Sporthilfe und sorgte für Stimmung. Zuschauer hatten sich allerdings nur wenige eingefunden, obwohl es inzwischen trocken war. Wir durchquerten das ThyssenKrupp-Quartier, bevor wir uns eine nicht enden wollende lange breite Straße hinauf quälten. Der mich für einige Kilometer begleitende als Bogenschütze verkleidete Spendensammler für Down-Syndrom-Kinder wies mich auf die heranziehende schwarze Wolke hin, die nichts Gutes verhieß.

Wir überquerten den Rhein-Herne-Kanal und erreichten Bottrop. Ein ganzes Stück verlief die Strecke ohne jede Abwechslung parallel zum Emscherschnellweg, bevor wir diesen überquerten und nach Welheimer Mark abbiegen konnten. Dort gab es ein weiteres kleines Stimmungsnest mit der Sambaband Katakichi Cologne.

Kurz vor km 29 begann eine Wendepunktstrecke, bei der die Gegenbahn nur durch Hütchen getrennt war. Bei Kilometer 33 erreichten wir schließlich in Gladbeck den nördlichsten Punkt der Strecke. Der Nieselregen ging jetzt in einen heftigen Schauer über. Die ohnehin wenigen Zuschauer zogen sich unter Hauseingänge zurück. Eine mit Schirm bewaffnete Frau meinte tröstend zu mir: „Sie sind aber tapfer!“

Nach Gelsenkirchen-Horst hörte der Regen wieder auf, und nachdem wir die ehemalige Steinkohlenzeche durchquert hatten, versöhnten uns warmer Sonnenschein und der schöne Nordsternpark. Bei Kilometer 36 gab es ein letztes Highlight mit Musik und Moderation vom Veranstalter VIVAWEST.

Der Zieleinlauf in Gelsenkirchen auf der Overwegstraße war auf den letzten Metern mit Teppich ausgelegt. Ich hatte schon einige Kilometer zuvor meine ‚zweite Luft’ mobilisieren können und gab jetzt im Endspurt noch einmal alles, so dass ich sogar noch zwei langsamere Läufer überholen konnte und nach offiziell (?) gemessenen 4:45:09 h ins Ziel kam.

2013-05-12_943.jpgIch holte meine Medaille ab und wurde anschließend direkt von Michael und Daniel begrüßt, die bereits ihren Hunger und Durst gestillt sowie geduscht hatten. Sie hatten den Start zwar im falschen Block, aber immerhin gerade noch rechtzeitig erwischt und konnten auf ihre tollen Zielzeiten von 3:25 h (Michael) bzw. 3:16 h (Daniel) mit Recht stolz sein. Jetzt hatten sie voller Geduld auf mich gewartet. Gemeinsam langten wir (noch einmal) im Verpflegungsdorf zu. Es gab zwar noch Getränke, Äpfel und Bananen, aber Müsliriegel, Traubenzucker-Täfelchen, Fleischwurst und Schnittkuchen hatten wohl nur für die schnelleren Läufer gereicht. So hielt ich mich an das frische Weißbrot, mit Butter bestrichen und Salz bestreut.

Kurz hinter dem Verpflegungsdorf erreichte ich das Massagezelt, wo ein sehr begabter junger Masseur den Krampf in meiner linken Wade erfolgreich behandelte. Daniel und Michael genossen derweil in der Sonne ein weiteres Erdinger alkoholfrei und geleiteten mich zum Sportzentrum, wo neben der Kleiderbeutel-Aufbewahrung Duschen und geräumige Umkleiden zur Verfügung standen. Ich bekam den Geheimtipp zur einzig warmen Dusche. Alle anderen waren wohl nur lauwarm. Auch hier gab es genügend Ordner, die freundlich und hilfsbereit waren, obwohl sie, wie sie mir erzählten, wegen der schlechten Bedingungen am Start von den Läufern als Ventil zur Frustbewältigung benutzt worden waren.

Von 1.680 gemeldeten Marathonläufern (mehr als doppelt so viele hatten sich für den Halbmarathon angemeldet) kamen 1.195 ins Ziel. Es gewann Florian Neuschwander aus Trier in 2:25:57 h. Bei den Frauen siegte Karen aus der Fünten aus Saarbrücken in 3:04:53 h.

Fazit: Nicht nur die erwähnte Fehlplanung vor dem Start muss dringend geändert werden, auch die Streckenführung kann sicher noch abwechslungsreicher gestaltet werden. Weitere Stimmungsnester mit Musik würden vermutlich auch mehr Zuschauer anlocken.

Foto: Bernd Kanders (Vielen Dank!)

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