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Jetzt erst recht: Der Hamburg Marathon am 21. April 2013

201203160770.jpgNur eine Woche nach dem Attentat von Boston sollten der Hamburger sowie der Londoner Marathon stattfinden, und nicht nur im Internet wurde diskutiert, ob man dort überhaupt starten solle. 42 Kilometer mit Tausenden von Teilnehmern und zehntausenden Zuschauern sind für jeden potenziellen Attentäter offen und können nicht hundertprozentig gesichert werden. Derrik Jackson, Mitherausgeber des ’Boston Globe’ schrieb in seiner Kolumne: „Der Anschlag von Boston war auch ein Anschlag auf unser bürgerliches Leben und die Fähigkeit, zusammen Spaß zu haben“. Er forderte alle Läufer auf, das Überleben von Marathon-Wettkämpfen auf der ganzen Welt zu sichern und den Terroristen zu zeigen, dass sie keine Chance haben. Deswegen startete auch er in Hamburg. Ich trug während des Laufs zum Zeichen der Anteilnahme ein schwarzes Band.

2013-04-21_0840.jpgSolidarität mit den Opfern von Boston konnte in Hamburg auf vielfältige Weise gezeigt werden: Besonders viele Teilnehmer nutzten die Möglichkeit, ein kostenlos vom Veranstalter zur Verfügung gestelltes gelb-grünes Armband in den Veranstaltungsfarben des Boston Marathon und der Aufschrift „Run for Boston Marathon 2013“ am Sonntag freiwillig zu tragen. Auf Tafeln, die den Organisatoren des Boston Marathon inzwischen zugeschickt wurden, konnte man schriftlich sein Mitgefühl äußern. Auch ein Spendenkonto war eingerichtet worden. Am Vorabend des Marathons fand ein ökumenischer Gedenkgottesdienst statt.

Besonders bewegt hat mich persönlich die völlige Stille der Solidarität der über 21.000 Läufer und unzähligen Zuschauer, die während der Gedenkminute eine Viertelstunde vor dem Start unter dem Fernsehturm herrschte.

Der im Anschluss eingespielte Song „Sweet Caroline“ von Neil Diamond – dieser wird traditionell im Rahmen von Sportveranstaltungen in Boston gespielt – sorgte dann für einen sanften Übergang in die bei Marathonwettkämpfen übliche fröhlich-gespannte Stimmung am Start.

2013-04-21_1339.jpg15.300 Marathon-Einzelläufer und 6.000 Staffelstarter wurden ab 9:00 Uhr an der Messe bei kühlen 7° zügig auf die Strecke geschickt, und nach einer guten Viertelstunde waren alle unterwegs. Auf dem 100m langen roten Teppich, der später auch der Zieleinlauf war, ging es an Tribünen und Absperrungen mit zahlreichen anfeuernden Zuschauern entlang. Wir kamen vorbei am DOM im Heiligengeistfeld, der großen traditionellen Frühlingsjahrskirmes. Die Überschneidung der beiden Großereignisse hatte dafür gesorgt, dass besonders viele Menschen mit ihren Autos die Stadt an den Vortagen verstopft hatten, was von vielen Teilnehmern bemängelt wurde.

2013-04-20_1033.jpgAuf der ersten Hälfte der Strecke folgte eine Hamburger Sehenswürdigkeit auf die nächste: Die Reeperbahn, das Rathaus von Altona mit dem Reiterstandbild von Wilhelm I. auf der Königstraße, die Elbchaussee und der Hamburger Hafen mit seinen tief gestaffelt stehenden Zuschauern, die uns lautstark anfeuerten. Wir passierten Fischmarkt, Hafenstraße und die Landungsbrücken, wo der NDR für die Live-Übertragung einen seiner Hotspots eingerichtet hatte. Insgesamt säumten 750.000 Zuschauer die Strecke.

Auf die Seemannskirche „Sankt Katharinen“ folgten die Baustelle der Elbphilharmonie und die berühmte Speicherstadt, dann ging es Richtung Innenstadt unter die Erde durch den Wallringtunnel. Hier beklatschen sich die Läufer mangels Zuschauer traditionell gegenseitig und dank des Echos recht wirkungsvoll. Wir umrundeten die Binnenalster mit ihrer imposanten Alsterfontäne. Nach dem Jungfernstieg mit dem nächsten Fernseh-Hotspot liefen wir über die Lombardsbrücke zur Außenalster, wo wir die schöne Aussicht mit den Segel- und anderen –booten lange Zeit genießen konnten. Am Streckenrand gab es dafür jetzt auch nur noch wenige Zuschauer. Zahlreiche Musikgruppen und Kapellen sollten uns Schwung geben. Allerdings hatte ich das Pech, oft eine Konzertpause zu erwischen.

Es wurde zunehmend wärmer, gefühlt deutlich über den vorhergesagten 13° Tageshöchsttemperatur, und ich nutzte jede Verpflegungsstelle, auch um mir Wasser über den Kopf zu gießen. Zusätzlich zu den im Abstand von ca. 5 km eingerichteten Verpflegungsständen mit isotonischen und anderen Getränken, sowie Bananen, später auch Cola und Gels, gab es alle 2,5 km Wasserstellen.

Nach der Halbmarathon-Marke folgte der Stadtpark, und bei km 28 in Winterhude war wieder Stimmung pur angesagt. Bei km 30 nutzen zahlreiche Läufer die dort angebotene Massage. Es folgte Ohlsdorf als nördlichster Teil des Laufs mit einem weiteren NDR-Hotspot und der bekannten Wahnsinnsstimmung unter den Zuschauern, die hier dicht gedrängt standen. Über Maienweg, wieder mit einem Fernseh-Hotspot, und Alsterkrugchaussee ging es in Richtung „Hexenkessel“ Eppendorfer Baum bei km 37, einem weiteren bekannten Stimmungsnest.

Danach wurde es allerdings recht einsam um uns Läufer. Über den Harvestehuder Weg ging es noch einmal kurz zur Alster. Die Strasse wurde breit, und die wenigen Zuschauer hielten sich zurück. Zusätzlich frischte der bisher kaum spürbare Wind etwas auf. Kämpfen war jetzt angesagt, und viele Läufer gingen jetzt. Obwohl ich weiter lief, verlor auch ich besonders auf den letzten Kilometern kostbare Zeit. Der 4:30-Pace-Maker überholte mich, seine Truppe unermüdlich aufmunternd.

2013-04-21_1340.jpgNach km 39 sah ich zwar kurz den Fernsehturm, musste dann allerdings ank der Streckenführung noch weitere Haken schlagen, die scheinbar kein Ende nahmen. Schließlich ging es den gefürchteten Gorch Fock Wall hinauf. Dann konnten wir endlich rechts auf die Karolinenstraße einbiegen, der Fernsehturm und mit ihm das Ziel mit dem roten Teppich kamen in Sicht. Zu den Läufern vor und hinter mir gab es genügend Abstand, so dass der Sprecher mich identifizieren und lautstark ansagen konnte: „Hier kommt Verena Hajek, das Laufmonster aus Köln!“, und der Applaus der Zuschauer auf den Tribünen folgte postwendend. Das tat gut nach all den Strapazen! Nach 4:37:02 h (an welcher Getränkestelle verlor ich nur die 3 Sekunden?) gab es im Ziel sofort frisches Wasser, dann wurde mir eine schön gestaltete Medaille umgehängt.

Es siegte der Kenianer Eliud Kipchoge mit einem neuen Streckenrekord in einer Zeit von 2:05:30 h. Dies ist bislang schnellste Marathonzeit 2013 in Europa. Die in Teilen neue flachere und weniger kurvenreiche Strecke sowie das ideale Läuferwetter haben sicher dazu beigetragen.

Weltweit gibt es bisher nur den Dubai Marathon, der schneller war. Für Eliud Kipchoge war es der erste Marathon überhaupt. Ab Kilometer 34 ohne Pacemaker allein unterwegs, konnte er auf den Zweitplazierten 2 Minuten gut machen. Lisa Hahner hatte Pech. Bei Kilometer 8 war sie über einen ihrer Tempoläufer gestürzt. Tapfer hat sie das Rennen in 2:31:49 h als viertbeste Frau zu Ende gelaufen. Gewonnen hat die Litauerin Diana Lobacevske mit 2:29:17 h.

Die 1.396 Staffeln wurden beim Wechseln jeweils über Weichen geführt und hatten auch einen eigenen Zieleinlauf, so dass ich sie nach schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit nicht als störend empfand.

Als die aus ganz Deutschland angereisten Feuerwehrleute ins Ziel kamen, die in voller Montur die Strecke absolvierten, um Spenden für die Stiftung „phönikks“ zu sammeln, welche jungen Menschen bei der Bewältigung von Krebs hilft, spendeten wir dieser besonderen Leistung großen Applaus.

Von 11.926 gemeldeten männlichen Teilnehmern finishten 9.006 Läufer, das entspricht einer Quote von 75,5%. Bei den Frauen waren 3.209 Teilnehmer gemeldet, von denen 2.442 ins Ziel kamen. Hier beträgt die Quote 76%.

Ich stärkte mich im Nachzielbereich mit Trauben, Äpfeln, Bananen, Müsliriegeln, Brezeln, Suppe und Getränken, ließ mich massieren und genoss anschließend die heiße Dusche – alles zentral in der geräumigen Messehalle A1. Welch ein Unterschied zu der Zeltstadt auf dem Heiliggeistfeld im Vorjahr!

Als ich mich auf den Weg zur U-Bahn machte, waren dank des großzügigen Limits von 6:30 h immer noch Läufer auf der Strecke.

2013-04-20_1151.jpgWie schreibt Klaus Duwe bei Marathon4You: „Sport ist gelebte Völkerverständigung über alle Grenzen und Religionen hinweg. Um am meisten ist das der Laufsport, der Marathon. Woche für Woche treffen sich wildfremde Menschen irgendwo auf der Welt, um sich kennen zulernen und gemeinsam Spaß zu haben beim Laufen. Niemand kann uns das nehmen. Nicht mit Gesetzen und schon gar nicht mit Gewalt.“

2 Kommentare zu „Jetzt erst recht: Der Hamburg Marathon am 21. April 2013“

  1. Hallo Verena,

    tolle Leistung und ein schöner Bericht, der auch mir den Hamburg-Marathon wiederholt schmackhaft macht, wo ich da noch nie mitgelaufen bin. Einen Reiseführer brauche ich da jetzt ja auch nicht mehr:)

    Dein letzter Abschnitt sagt alles zum Thema „Gewalt und Terror“. Auch ich habe heute in Düsseldorf so viele ambitionierte, fröhliche und faire Läuferinnen und Läufer sowie Zuschauer aller Nationen und Religionen zusammen für ihr sportliches Ziel kämpfen und nachher feiern sehen. Wie krank muss man sein, so etwas zu zerstören?

    Gute Erholung weiterhin und bis bald

  2. Liebe Verena,

    geachtete Vielläuferin und Marathonmonsterin: Ich ziehe den Hut vor Deiner Leistung und diesen netten Reiseberichten, die bei mir auch ohne vielleicht starten zu wollen, Fernweh erzeugen. Nebenbei schimmert immer wieder die Mathematikerin durch. Jetzt weiß ich auch, dass mehr Männer als Frauen beim Marathon abkacken.

    Guido

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