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Wer lange läuft, der ist hier richtig!

Köln Marathon 2012: Highlight mit Luft nach oben

Nachdem im Jahr 2009 der Streckenrekord durch Evans Kipkosgei Ruto mit einer Zeit von 2:08:36 Stunden erstmals unter die Marke von 130 Minuten gedrückt werden konnte, kommt den Veranstaltern die erneute Verbesserung um fast eine Minute naturgemäß sehr gelegen, symbolisieren die 2:07:37 Stunden durch Alfred Kering doch einen gewissen Anspruch, der in der laut Außendarstellung schönsten Stadt Deutschlands häufig schon einmal in Großmannssucht ausartet. Genau so, wie immer noch – bewusst oder unbewusst – „Marathon“-Teilnehmerzahlen in der Größenordnung von 25.000 erfolgreichen Finishern (siehe aktueller Kölner Wochenspiegel) kolportiert werden. Dass es sich dabei „hochgerechnet“ um die Gesamtzahl aller Aktiven auf allen Distanzen handelt und es letztlich im Vergleich nur „kümmerliche“ 4.808 Läufer sind, die die Langstrecke auch tatsächlich absolviert haben, nimmt der unbedarfte Leser auf den ersten Blick nicht wahr und fällt in der Rückschau dann gerne unter den Tisch.

Größer, schneller, besser, das gilt in Köln schon lange nicht mehr, aber um das für alle Beteiligten bestmögliche Ziel zu erreichen, wurde und wird hier irrigerweise schon manchmal mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Und dass der Streckenrekord durchaus noch 20 Sekunden schneller hätte ausfallen können, wenn Limenih Getachew nicht irrtümlich dem vermaledeiten von der Strecke abbiegenden Fürungs-Motorrad nachgelaufen wäre, schreiben wir mal einem unglaublichen Pech zu. Schade nur, dass so etwas ausgerechnet in Köln passiert. Sehr schön ist ganz nebenbei allerdings, dass der 15 Jahre alte Streckenrekord bei den Frauen auf der durch die „vermeintlich“ schnellen langen Geraden am Rheinufer optimierten Strecke auch endlich gefallen ist. Helena Kiprop hatte in 2:25:34 Stunden wenig Erbarmen mit den 2:27:29 h von Angelina Kanana aus 1997. Hier kann man wirklich einmal von „Pulverisieren“ der Bestmarke sprechen.

Dabei wäre es bei der nach wie vor größten und zugkräftigsten Kölner Sportveranstaltung durchaus einfach, wesentliche Verbesserungen einzuführen, die den Teilnehmern direkt zugute kommen und sich langfristig sicherlich positiv auf die Melde- und Starterzahlen auswirken würden. Was waren das noch für Zeiten, als Köln 1997 mitten im Langstrecken-Boom die teilnehmerstärkste Premierenveranstaltung mit über 10.000 Startern auf der Marathon-Distanz gelang. Übrigens ein Weltrekord, der nach wie vor Gültigkeit besitzt. Damals war man als ambitionierter (Freizeit-)Läufer in einem Zielzeitkorridor von 2:30 bis 3:00 Stunden noch in guter Gesellschaft von etlichen Weggenossen. Heute muss man schon froh sein, wenn man bereits auf den langen und zum Teil sehr windanfälligen Geraden entlang des Rheins überhaupt noch jemand findet, der mit einem läuft und von Zeit zu Zeit etwas Windschatten spendet. Das Feld hat sich speziell in Köln ausgedünnt und in der erweiterten Spitze fällt es extrem auf.

Der Spaß- und Eventcharakter in Köln mag ja von den Organisatoren durchaus gewünscht oder besser gewollt sein und wurde bzw. wird von den Sportlern auch bereits seit Jahren stillschweigend toleriert. Die Verwässerung einer reinen Marathon-Laufveranstaltung durch diverse Neben- und Spartenrennen sollte trotzdem grundsätzlich einmal überdacht und in den kommenden Jahren nach Möglichkeit bzgl. des Ablaufes optimiert werden. Muss der Halbmarathon, der mit seinen 9.838 Finishern die Teilnehmer-Zahlen und Finanzen des Veranstalters in Relation zu der logistischen Herausforderung überhaupt erst rettet, Mitte Oktober tatsächlich um 8.30 Uhr beginnen? Bei durchaus möglicher schlechter Witterung in relativer Dunkelheit und noch dazu auf einem auf weiten Strecken zuschauerfreien Parcours? Können die Inliner nicht bereits am Samstag auf die Strecke, so wie es Berlin seit einigen Jahren vormacht?

Was gar nicht geht, in Köln jedoch durch die Bank in jedem Jahr vorkommt, sind die Verzögerungen am Start. Eine satte Viertelstunde mussten die Marathonis (und auch die Zuschauer) am Sonntag auf den Schuss warten. Im hinteren Feld mag das ja noch angehen, kann man doch ggf. nochmals einen Toilettengang einschieben, die Spitzenathleten wie auch die schnellen Breitensportler sind jedoch auf den Punkt genau aufgewärmt und bereit. Da schadet jede Minute unnötigen Wartens in der herbstlichen Kühle der Tagesform. Von der zum Teil „stundenlangen“ Warterei in den hinteren Startblöcken ganz zu schweigen. Wieso geht das alles nicht schneller? Und alle Jahre wieder finden die Organisatoren eine Begründung f�r die Unpünktlichkeit. Ob einleuchtend oder nicht, scheint diese doch zumeist hausgemacht, Hauptsache man hat mal wieder eine Ausrede parat.

Meist liegt es am Platz. Da fehlt noch ein wenig Auslauf für die Läufer, hier kommen die einlaufenden Inliner den startenden Marathonis in die Quere, was gab es nicht alles für Konstellationen? Noch 2011 finishte man sogar in der dunklen Röhre einer Eisenbahnbrücke. Hat da eigentlich niemand im Vorfeld die Strecke einfach mal abgelaufen oder die Haptik auf den letzten Metern getestet? OK, mittlerweile ist der Zielbogen ja wieder im Hellen, aber wenn ich es dunkel will – und dazu Atmosphäre – starte ich in Frankfurt mit zünftigem Einlauf in der Festhalle. Wie gesagt, Platz ist in der Domstadt tatsächlich rar, überall kein Platz mehr für eine Marathon-Messe und einen vernünftigen Start- und Zielbereich, erst recht für eine Marathonveranstaltung an sich. Die Autofahrer haben die fünf Finger des früheren Kurses schon enorm beschnitten. Aber Marathon muss natürlich sein wegen der Außenwirkung. Und des Werbewertes. Dabei kommen die meisten auswärtigen Starter – und das sind mittlerweile deutlich mehr als jene aus Köln und der Region – wegen der guten Stimmung nach Köln. So eine Art Karnevalsstimmung an der Strecke schwebt den meisten dabei vor. Nun, da sind sie hier wirklich genau richtig. Nur: die Stimmung wird von den Zuschauern gemacht und nicht von den Organisatoren.

Zum Abschluss noch eine Anekdote, wie sie sich nur in Köln zutragen kann. Ein Läufer möchte aus persönlichen Gründen von der Halbmarathon-Distanz auf die volle Strecke ummelden. Sollte doch kein Problem sein, denkt der Außenstehende. Man zahlt die Differenz zwischen den Startgebühren und beschert dem Veranstalter noch eine unverhoffte Zusatzeinnahme. In Köln allerdings ticken die Uhren gaaanz anders. Hier verlangt man sozusagen einen „Strafzoll“ von 100 Euro (!), um dann entgegenkommenderweise (!) die Startgebühr für den Halbmarathon gutzuschreiben. Macht summa summarum 71 Euro an Mehrkosten für eine simple und auch eine Marathon-Orga eigentlich nicht überfordernde Änderung. Wie es auch anders geht, zeigt einmal mehr der BMW Frankfurt Marathon. Der Verfasser hat 2009 wegen kurzfristiger Absage die Meldebestätigung eines befreundeten Kölner Läufers übernommen. Kosten für die Ummeldung am Trouble Desk: 5 Euro inklusive neuer Start-Nr. und Erledigung der Formalitäten innerhalb von Minuten. Solch einen Service sollten sich die Kölner, die auf Mail-Anfragen zum Teil erst gar nicht reagieren, einmal zu Herzen nehmen. Dann macht vielleicht auch die Mitgliedschaft im Jubilee Club des Köln Marathon Sinn, die mit der Teilnahme 2012 (mittlerweile insgesamt acht Zielankünfte über Marathon sowie zweimal Halbmarathon) auch durch den Autor endlich erreicht wurde.

Fotos: Kai Engelhardt/Mike Fresenborg/Winfried Schommers

Alle Marathon-Fotos von Mike Fresenborg in 18 Serien: Von Rodenkirchen zum Weißen Holunder mit Zielzeit um die 2:40 Stunden, Holunder-Passage bis 2:50 h-Zielzeit, Zielzeit noch unter drei Stunden, Die Drei-Stunden-Grenze rückt näher, So viele bekannte Gesichter…, Von Frank mit den Frikadellen bis zum Finale mit Aga, Markus, Herbert, Katja, Hermann-Josef und noch viele mehr, Super-Stimmung an der kölschen Kultkneipe, Der Läuferstrom reisst nicht ab, Gut gelaunt am Holunder vorbei, Prächtige Stimmung in der Erftstrasse, Marathon-Helden unterwegs, Verena, Jürgen & die 4:30 h-Finisher, Manuel & Torsten wieder in zivil und in Feierlaune, Die teuerste Gummiente von Köln, Zwischendurch einmal eine Versteigerung…, Es geht an die fünf Stunden, Feuerwerk & Besenwagen

Die Fotos von Winfried Schommers und Kai Engelhardt in 10 Serien: Vor dem Halbmarathon-Start, Start und Deutzer Br�cke, Nachziel Halbmarathon, Deutzer Bahnhof, vor dem Marathon-Start, Start des Marathon, Weißer Holunder mit Herren- und Damenspitze, Schnelle Drei-Stunden-Läufer, Die Verpflegung kommt…, Läuferwellen rollen an, Die Zeit der bunten Ballons, Marathon4you – die schönsten Kostüme, Stimmung im Weißen Holunder

8 Kommentare zu „Köln Marathon 2012: Highlight mit Luft nach oben“

  1. Hallo Kai,

    danke für den Beitrag und Deine Einschätzung, der ich mich gerne anschließen möchte. Wir sehen es als Aufforderung, das Konzept für die kommenden Jahre zu überdenken. Dazu passend auch noch eine sehr konstruktive Kritik, die im Kölner Stadtanzeiger stand.

    Es müssen ja nicht gleich alle Punkte auf einmal umgesetzt werden.
    Zur Anekdote: Ich erinnere auch noch einmal an den Metro Group Marathon, wo wir sogar eine kostenlose „Wildcard“ für einen unserer schnellsten Läufer bekommen haben, der kurzfristig aufgrund äußerer Umstände (Vulkanausbruch in Island) den Boston Marathon absagen musste. Das war toll!

    LG Manuel

  2. Super Beitrag Kai, ich hoffe auch, dass er von den Verantwortlichen des Köln Marathons überhaupt wahrgenommen wird. Der Trend des Marathons ist doch mehr als alarmierend. Die Startverzögerungen sind tatsächlich jedesmal das gleiche Lied. Hinzu kommt die Startabfolge der Blöcke. Dadurch, dass jeder Block 5 Minuten oder mehr nach dem anderen gestartet wird, gehen MASSENHAFT Starter in den falschen Startbereich (wollen wohl nicht noch länger unnötigerweise in der Kälte stehen). Selbst gesehen bzw. erlebt. Warum kann man nicht darauf achten, dass die Läufer tatsächlich in den richtigen Block einchecken? Dann könnte man auch jeden Abschnitt nur Sekunden nach dem anderen starten, weil es zu keinem nennenswerten Auflaufen mehr kommen sollte.

  3. Hallo Kai,
    ein wirklich sehr guter Beitrag! Da sind einige Verbesserungen nötig, sonst wird die Anzahl der Teilnehmer beim Marathon immer geringer, eine Startzeit für den HM um 8:30 ist genauso ungünstig wie 11:30 beim Hauptlauf. Gibt es überhaupt einen verspäteten Start bei einem anderen Marathon?
    Eine Katastrophe war dieses Jahr auch die Organisation der Eigenverpflegung. So war die Eigenverpflegung bei km 5 und 10 noch nicht aufgebaut. Unsere Flaschen haben danach überall gestanden, aber nicht an den vorgesehenen Verpflegungspunkten, mal gab es keine, dann mal 2.
    Die Stimmung ist trotz allem in Köln wirklich einzigartig und der Weiße Holunder ist einer der wichtigsten Hot Spots der Strecke! Grandios!
    Liebe Grüße
    Katja

  4. Hallo Kai,
    ich habe meiner Frau gegenüber heute noch gesagt, dass ich zum Köln-Marathon keinen Bericht schreiben brauche, denn es sind viele gute Berichte bereits geschrieben worden, die die Emotionen und Erlebnisse wiedergegeben haben. Da muss ich nicht noch einen Erlebnisbericht dazu beitragen. Allerdings merkte ich an, dass bisher die negativen Ereignisse nicht so zur Sprache gekommen sind, denn es gab doch einige Kritikpunkte. Dies hat Kai mit seinem Bericht sehr gut dargestellt und sollte bei den verantwortlichen Organisatoren als konstruktive Kritik verstanden werden. Denn an den Zuschauern und den vielen motivierten Läufern, die die tolle Strecke genießen wollen, liegt es wirklich nicht. Wenn der Marathon in Köln kein Auslaufmodell werden soll, dann sollte man sich die Kritik der Aktiven zu Herzen nehmen. Es ist noch immer joot jejangen (oder so), sollte allerdings nicht zu lange ausgereizt werden. LG an die Laufmonster Frank

  5. Hallo Kai,
    sehr guter Artikel! Wenn man sich einige Kommentare im Kölner Stadtanzeiger anschaut, ist der Köln Marathon eher ein ungebetener Gast bei den Anwohnern!
    Dass der Zieleinlauf vor einigen Jahren (ich meine 2004) nach Deutz verlegt wurde, war dies schon mal eine deutliche Abwertung der Strecke. Was in den letzten Jahren geschah – die Umwandlung in den Kölner Tunnellauf – ist echt der Gipfel. Wie dramatisch der Starterrückgang ist, kann man daran ablesen, dass es um die Jahrtausendwende über 20.000 Starter nur auf der Marathon-Distanz – nur Läufer/innen!!! – gab. Heute gerade noch ein viertel bis ein fünftel davon.
    Und vollste Zustimmung – von der Organisation ist Frankfurt klar besser – wo auch die Starterzahlen zumindest stabil sind, vielleicht auch weil hier der Sport im Vordergrund steht!
    Viele Grüße,
    Thorsten

  6. Für den neuen Start-/Ziel-Bereich wird sich der Veranstalter sowieso was überlegen müssen, da das Staatenhaus ja nächstes Jahr wohl nicht mehr zur Verfügung steht.
    Zurück an den Dom, der Wunsch vieler und es wäre natürlich auch ein absolutes Highlight, wird aber wahrscheinlich wegen der verschärften Auflagen seit dem Loveparade-Unglück nicht mehr möglich sein.
    Warum also nicht das Rhein-Energie-Stadion – wie passend auch vom Namen her :) Der HRS Business Run zeigt doch z.B. wie ein Zieleinlauf im Stadion aussehen kann!

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