Am 19. Juni 2005 war es endlich soweit, die Marathonpremiere im UNESCO-Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal konnte mit insgesamt 7.918 Startern losgehen. Die Strecke führte die Marathonis von Oberwesel über St. Goar, Boppard, Spey und Rhens zum Deutschen Eck nach Koblenz, und die Laufmonster waren ganz dick mit im Geschäft.
Als am Sonntag um 4:00 Uhr morgens der Wecker klingelte, habe ich schon an einen schlechten Scherz gedacht.
Kurz unter die Dusche, Beutel packen und einen ersten Blick auf den Sonnenaufgang werfen und ab geht´s. Um 5:00 Uhr wartet mein „privates„ Taxi am Ubierring. Mit 10-minütiger Verspätung (Harald, warum brauchst Du denn Geld?) geht es dann weiter Richtung Bonner Verteiler, wo unser Laufmonster-Tourbus schon auf uns, d.h. Harald, Christian und mich, wartet. Alle 7 Starter sehen unglaublich frisch aus, liegt wohl an der Vorfreude auf unseren, ich nenn ihn mal, Sauna-Marathon. Nach einer kurzen Begrüßung, einigen Erinnerungsfotos geht´s ab Richtung Koblenz. Toastbrot und Energieriegel schmecken morgens um 6:00 Uhr einfach himmlisch.
Die Stimmung kann man ohne Übertreibung getrost als „Laufmonster-gut„ bezeichnen. So ging die Fahrzeit sehr schnell vorbei. Pierre hat gelernt, die Augen auch in Baustellen offen zu lassen und alle haben erlebt, dass Melkfett einfach super ist. Unser Bus wurde in Koblenz direkt am Schlachthof geparkt und mit einem Shuttle-Bus ging es zum Hauptbahnhof weiter. Hier wurde der Regionalexpress nach Oberwesel bestiegen, was auch tadellos funktionierte. Schon 7:45 Uhr erreichten wir den Startbereich, jetzt galt es, die 90 Minuten bis zum Start zu überbrücken. Dies taten wir mit Fachgesprächen (u.a. über Melkfett), Beutelabgabe, Einschmierorgien (Sonnencreme) und Dixie-Besichtigungen.
Die Sonne gab in der Zwischenzeit schon richtig Gas und brannte enorm. Alle waren noch frohen Mutes und so ging es dann ab in die Startblöcke.
Pünktlich um 9:20 Uhr fiel der Startschuss, das Abenteuer Mittelrhein Marathon ging los und gleich die erste Passage gab einen eindrucksvollen Vorgeschmack auf das, was auf den nächsten 42,195 km auf die Läufer zukommen sollte. Direkt am Rhein entlang windet sich die Straße immer flussabwärts, ermöglicht tolle Ausblicke, bietet aber nicht den geringsten Schatten. Schon auf den ersten Kilometern haben sich viele Läufer die erste Verpflegungsstelle herbei gesehnt, die auch bei Kilometer fünf kurz vor St. Goar kommt.
Aufgrund der Wettervorhersagen haben die Organisatoren im Vorfeld jedoch schnell reagiert und so folgen von da an im Rhythmus von zwei bis drei Kilometern die Versorgungsposten aufeinander und bieten so, angesichts der Witterungsbedingungen, wertvolle Zwischenziele.
Wie sieht es aktuell bei den Laufmonstern bei Kilometer fünf aus? Kai läuft seinen Stiefel mit Zielzeit unter 3 Stunden runter. Christian und ich laufen (noch) zusammen. Die anderen folgen kurz dahinter, wobei Harald u.a. von Deep Purple begleitet wird. Christian erzählt mir schon bei Kilometer drei, dass er noch nicht so richtig im Marathon drinnen ist, kleiner Scherzkeks. Bei 25 Grad gibt es bestimmt die ein oder andere Aktivität, die mehr Spaß macht, als Marathon zu laufen. Aber es gibt kein zurück mehr. Die Strecke ist wunderbar, allerdings gibt es keinen Schatten, und die lang gezogenen Straßenabschnitte gehen verstärkt an die Psyche. Bei Kilometer 10 verabschiedet sich dann Christian von mir und zieht von dannen. Schon hier denke ich mir: „Junge, lass es ruhiger angehen und komm bloß an.„ Noch über 30 Kilometer vor der Brust zockel ich also weiter und hangle mich von Wasserstand zu Wasserstand. Die Sonne knallt, und die ersten Leidensgenossen fangen schon jetzt an zu gehen.
Schon mehr als neunzehn Kilometer sind absolviert, als die Strecke erstmals von der Bundesstraße nach rechts wegschwenkt und auf die Bopparder Rheinpromenade einbiegt. Die Einwohner zaubern richtig Stimmung auf den Asphalt und Gartenschläuche verschaffen eine schöne Abkühlung. Der Anstieg am Ende von Boppard bringt uns Läufer wieder der traurigen Realität nahe. Es ist mittlerweile sehr heiß, die Straße flimmert und die Geraden sind lang.
Doch das nächste Ziel heißt Halbmarathon. Hier ist richtig Stimmung angesagt, leider geht dieser Abschnitt viel zu schnell vorbei. Ich bin weiter dabei, von Wasserstelle zu Wasserstelle zu denken und schaue mir ein wenig die Landschaft an. Die Kilometer ziehen vorbei, nicht so schnell, aber doch recht stetig. Auf einmal sehe ich kurz vor mir zwei Läufer, die ich doch kenne: Einer deshalb, weil er ein Kölner Lauftrikot trägt und Christian. Wie es fast immer ist, motiviere ich die beiden durch meine bloße Anwesenheit, wenigstens ein kleines Stück mit mir zusammen zu laufen. Ein uns überholendes Fahrrad deutet uns dreien dann an, dass etwas passiert: Die erste Frau schließt zu uns auf. Alles klar denke ich mir, dann haben wir wenigstens auf den letzten acht Kilometern Stimmung, wo immer wir auftauchen.
Wir erreichen mittlerweile Brey und Rhens, die praktisch ineinander übergehen. Und noch einmal wird es für die Läufer im Zentrum von Rhens richtig laut. Doch der kleine Hügel, der sich in diesem Moment vor den Läufern aufbaut, könnte zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt kommen. Ausgerechnet auf dem letzten Teil wird die Strecke welliger. Hier laufe ich einfach meinen Stiefel runter und genieße den Ausblick, bald im Ziel zu sein. Die Strecke ist jetzt auch von wesentlich mehr Zuschauern, als es unterwegs der Fall war, frequentiert. Das gefällt mir persönlich besser als dieses lange „allein„ laufen.
Direkt unter dem Denkmal für Kaiser Wilhelm am Deutschen Eck ist das Ziel aufgebaut. Von links kommt die Mosel geflossen und mündet hier in den Rhein. Hierfür hat man allerdings jetzt keinen Blick. Man genießt die hervorragende Stimmung und schwebt die letzten Meter ins Ziel mit der Gewissheit, ein wahrer Finisher zu sein. Dieses Gefühl haben am Ende insgesamt 3.357 Zieleinläufer. Einsatzfahrzeuge des DRK mussten lt. Angaben des Veranstalters über 400 Mal zum Einsatz anrücken, wobei in 50 Fällen sogar eine Überweisung ins Krankenhaus folgte.
Der Zielbereich ist landschaftlich sehr schön. Die Massage war der Hit, aber warum gab es kein Bierzelt? Wer braucht Red Bull nach einem Marathon, oder Wasser? Doch einziger wirklicher Kritikpunkt war die Beutelrückgabe, die chaotisch ablief.
Die Laufmonster haben alle (!) gefinished. Als Treffpunkt hat Kai einen Kiosk reserviert – mit einem tollen Sonnenschirm. Das ist Organisationsgeschick ;-) Nach und nach trudelten alle Mitstreiter ein. Unsere Bandbreite lag dabei zwischen 2:59 Std. bis 4:54 Std.
Anschließend gab es noch ein wenig Sightseeing in der Koblenzer Altstadt, wo die Eindrücke eines jeden Läufers erzählt wurden. Einhellige Meinung: Es war mörderisch! Aber trotzdem waren alle hinterher froh, sich durchgebissen und ihren individuellen Kampf gewonnen zu haben. Die Heimfahrt gestaltete sich etwas ruhiger als die Hinfahrt. Wahrscheinlich ging jeder noch einmal in Gedanken seinen Lauf durch ;-)