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Run Winschoten 2015: 100 km im Feld der Weltelite

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Der Run Winschoten ist einer der traditionsreichsten 100 km-Straßenläufe und feierte in diesem Jahr seine 40. Austragung. Passend zu diesem Jubiläum wurden in der kleinen Stadt in der Provinz Groningen im Norden der Niederlande auch die Welt- und Europameisterschaften ausgetragen. Die Strecke verläuft auf einem 10 km Rundkurs durch das Zentrum und Wohngebiete und ist geprägt durch die gute Stimmung der feierfreudigen Niederländer, die den Run an vielen Stellen zu einer großen Partymeile machen.

Abgerundet wird das Angebot durch einen 50 Kilometer Lauf sowie eine 10x 10 km-Staffel. In diesem Jahr lag das Hauptaugenmerk aber ganz klar auf den 100 Kilometern, auch wenn über die halbe Distanz durch den Niederländer Harm Sengers ein neuer Landesrekord aufgestellt wurde.
Und auch wenn es mit den kurzfristig und kurzzeitig angedachten Überlegungen einer Staffelteilnahme der Laufmonster in diesem Jahr nichts wurde, machte ich mich auf den Weg, um sich über 100 km dem Feld der Weltelite zu stellen. Nachfolgend hier der persönliche Rennbericht:

Nach dem Frühjahr und dem Ausstieg bei der Deutschen Meisterschaft über 100 km war schnell klar, dass es mit der heimlich erträumten WM-Nominierung nichts werden würde und so gab es nachfolgend doch einige Zweifel, ob ich es in diesem Jahr nochmals über diese Distanz versuchen sollte. Letztlich entschied ich mich dafür, ich wollte das „DNF“ (did not finish) aus dem Frühjahr einfach nicht so stehen lassen. Schnell war auch klar, dass es Winschoten sein sollte. Wenn schon nicht im Nationalteam, dann wenigsten im offenen Lauf und in der parallel ausgetragenen Senioren-Weltmeisterschaft im Feld der Weltelite antreten und ein gutes Rennen abliefern.

Die Vorbereitung in den Sommermonaten verlief weitestgehend gut, nur ließ das durch die äußeren Bedingungen oft geringere Trainingstempo nicht immer Rückschlüsse auf die wirkliche Form zu. Die absolvierten Tests beim Monschau-Ultramarathon und bei kürzeren Rennen auf der Straße und bei der Bergisch Gladbacher Bahnlaufserie stimmten zuversichtlich, da sie trotz der in dieser Phase hohen Trainingsbelastung ordentliche Resultate sehen ließen.

Dennoch war ich mir bis zuletzt unklar über die Form und die daraus resultierende Renntaktik. Erst in den letzten sieben Tagen waren die Auswirkungen des zuvor eingeleiteten Taperings auch deutlich spürbar und die aus den Trainingswochen des Öfteren verspürten schweren Beine fühlten sich immer erholter und frischer an.

Die Wetterprognose mit 20-22° C und in Böen auffrischendem Wind sind für Jahreszeit und geografische Lage normal, auch wenn mir persönlich ein paar Grad weniger lieber gewesen wären. Aber so war ich froh, dass es zumindest relativ viele Wolken gab.

Am Vortag angereist, konnte ich in Ruhe die Startunterlagen abholen, die Flaggenparade der WM-Teilnehmer anschauen und mich auch mit den Mitgliedern des Nationalteams ein wenig austauschen, bevor ich dann wieder Richtung Hotel aufbrach, um zur Ruhe zu kommen. DLV-100 km Teamkapitän Michael Sommer lieh mir für das Rennen auch noch eines seiner aus zahlreichen Nationalmannschaftseinsätzen angesammelten Trikots, so dass ich anlässlich des Starts bei der Senioren-WM auch den Adler auf der Brust spazieren tragen konnte.

Neben den je vier Männern und Frauen des DLV-Nationalteams (der Deutsche Meister Carsten Stegner musste leider kurzfristig absagen) waren neben mir auch noch zahlreiche andere Deutsche in den Klassen der Senioren-WM am Start. Und das mit großem Erfolg, konnten doch neben Michael Sommer in der M50 auch Marion (W55) und Wolfgang (M60) Braun mit starken Zeiten den Titel eines Senioren-Weltmeisters erreichen.

Ich selbst ging mit dem festen Vorsatz ins Rennen, dieses auch zu beenden, selbst wenn es schlecht laufen und die angestrebten Zeiten in weite Ferne geraten sollten. So hatte ich mir auch fest vorgenommen, zwar ambitioniert aber ohne übergroßes Risiko die erste Hälfte des Rennens zu gestalten und dann so lange wie möglich das Lauftempo zu halten.
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Nach einer „Einrollrunde“ in knapp 45 Minuten steigerte ich langsam das Tempo und pendelte mich auf etwa eine Pace von 4:20 Min/km ein, so dass ich die folgenden Runden in 43er-Zeiten absolvieren konnte.

Leider konnte ich in diesem Bereich des Rennens nie in einer Gruppe laufen, die männlichen WM-Teilnehmer waren mehrheitlich voraus, an der in meinem Zeitbereich laufenden erweiterten Frauenspitze bildeten sich keine konstanten Gruppen. Immer wieder holte ich auch Läufer ein, die zu schnell angegangen waren, selbst überholt wurde ich in dieser Phase nur durch Jan Hendrik Hans, der die erste Runde noch vorsichtiger angegangen war und in dieser Phase mächtig Gas gab. Leider sah ich ihn ein paar Runden später wieder, denn er hatte mit Magenkrämpfen zu kämpfen und musste das Tempo deutlich reduzieren. Dennoch große Hochachtung, dass er sich ins Ziel kämpfte und so der deutschen Mannschaft als dritter und letzter verbliebener Läufer des Nationalteams (Moritz auf der Heide musste auf Grund einer im Vorfeld zugezogenen Verletzung nach 40 km aufgeben) ein Teamergebnis sicherte.

Bei mir lief es glücklicherweise weiterhin rund. Die abgegebene Eigenverpflegung konnte ich auf der zweiten Runde auch am Verpflegungsposten entdecken, der Verpflegungsplan (Gel bei km 15, 30, 45, 60, 70, 80 + je 300 ml Iso bei km 20, 30, 40, 50, 60, 70 und 80 sowie Gel-Chips für die Endphase, dazwischen Wasser nach Bedarf) klappte hervorragend.

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Die 50 km-Marke erreichte ich nach 3:38 Stunden und hatte mich eine Runde später bereits von Rang 137 nach der ersten Runde auf Rang 76 vorgearbeitet. Danach wurden die Beine langsam schwerer und ich gönnte mir in der Verpflegungszone während der Getränkeaufnahme auch ein paar Meter Geh-Tempo.

So litten die Rundenzeiten zwar etwas, aber gut versorgt konnte ich ansonsten weiterhin eine Pace von 4:45 Min/km durchlaufen. So hatte ich km 80 dann auch noch unterhalb der 6-Stunden Marke erreicht und war mir zu diesem Zeitpunkt sicher, ein sicheres Finish in einer guten Zeit zu erreichen. Kurzzeitig hatte ich auch Hoffnung auf einen Zielleinlauf unterhalb der 7:30 Stunden, aber letztlich war ich hochzufrieden, das aktuelle Tempo halten zu können, überholte ich in dieser Phase doch einige WM-Teilnehmer, denen es weitaus schlechter ging.

So erreichte ich das Ziel als 61. der Gesamtwertung aller Teilnehmer in einer Zeit von 7:32:08 Stunden, womit ich rund die Hälfte der männlichen WM-Finisher hinter mir lassen konnte. In der Senioren-WM meiner Altersklasse M35 erreichte ich einen 7. Platz von 18 Finishern.

Welt- und Europameister wurde der Schwede Jonas Buud vor dem Spanier Asier Cuevas und dem Italiener Giorgio Calcaterra. Bei den Frauen gewann die US-Amerikanerin Camille Herron.

Ein wenig Wehmut allein beim Anblick der Team-Ergebnisse: Bei einer Nominierung für die Team-Wertung durch den DLV (was als Perspektiv-Kader Athlet mit einer Vorleistung von 7:27 Stunden im Qualizeitraum über die sogenannte „Mannschaftsnorm“ theoretisch möglich gewesen wäre) hätte ich nach den kurzfristigen Ausfällen und Problemen im DLV Männer-Team und dem Rennverlauf nach mit meinem Ergebnis zu einer besseren Platzierung beitragen können.

Leider konnte ich bis zum Nominierungsstichtag und zum Meldeschluss zu wenig (aktuelle) Argumente vorweisen, um berücksichtigt zu werden und zudem waren die Ausfälle im Team zu diesem Zeitpunkt natürlich auch nicht absehbar. Bei „normalem“ Verlauf sind die fünf Nominierten vom Leistungsniveau sicher höher einzuschätzen, aber vor und während eines 100 km-Laufs kann eben viel passieren.

Trotzdem sehe ich für mich persönlich Winschoten als Erfolg an. Ich weiß nun, dass Kienbaum 2014 keine Eintagsfliege war und ich bei normaler Vorbereitung im Rahmen meiner Möglichkeiten ein gutes 100 km Rennen zeigen und ins Ziel bringen kann.

Darauf lässt sich aufbauen. Aber jetzt lege ich erst mal eine Woche die Füße hoch und dann werde ich mal schauen, ob ich Lust und Laune habe, ganz einfach mal wieder eine Runde locker zu joggen.

Ergebnisse:
Offener Lauf, Senioren WM der WMA (World Masters Athletics), WM Team-Wertung Männer

Fotos: Guido Gallenkamp

9 Kommentare zu „Run Winschoten 2015: 100 km im Feld der Weltelite“

  1. Auch an dieser Stelle nochmal: SUPER LEISTUNG!!! Eine Wahnsinnszeit über eine Wahnsinnsdistanz. Und es liest sich so einfach und flüssig, sodass beim Lesen die Knochen gar nicht wehtun.
    Jetzt erhol Dich gut und genieße den Erfolg! Nicht dass ich Dich in Bedburg oder Zons sehe:) Es sei denn als Zuschauer.
    Harald

  2. Hallo Moritz! Hochachtung vor dieser erneuten Top-Leistung. National unter den Top 10, international unter den Top 100 – wer kann denn bitte sowas vorweisen? Du machst mir auch immer wieder Mut, mich auch mal auf der Distanz zu versuchen, aber definitiv langsamer …. ;-)

    Du hast sicherlich noch Zukunft auf dieser Distanz. Also bleibe dran und dann werden noch ein paar Überraschungen kommen!

    Gruß, Manuel

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