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Rückblick: Marathon in Hamburg 2000

hamburg20001.jpgManchmal muss man einiges durchleiden, um letztlich doch die im Ziel von freundlichen Helfern umgehängte Medaille zu ergattern. Für den hier bildlich beigefügten Orden des seinerzeit noch unter dem Namen des Hauptsponsors Hansaplast firmierenden Hamburg-Marathon ging es bis fast an die äußerste Schmerzgrenze. In der Rückschau betrachtet kann daher festgehalten werden: es war auch im sechsten Versuch nach wie vor nur ein Marathon. Weiteres Fazit: das Ziel notfalls auch gehend zu erreichen, ist entscheidend. Aber: die Euphorie der im Nachhinein überraschend guten Herbstzeit aus Frankfurt im Jahr zuvor war danach für immer verflogen. Ab jetzt sollte konsequenteres Training und eine realistischere Einschätzung der eigenen Möglichkeiten im Vordergrund stehen.

Nr. 6, 15. Hansaplast Marathon Hamburg, 16. April 2000

Eigentlich schien im Vorfeld alles optimal. Der Nachhall der fulminanten Verbesserung der persönlichen Bestzeit in Frankfurt im Oktober 1999 schimmerte immer noch als der Garant für eine gute zukünftige Zielzeit durch und sorgte damit für die persönliche, aber unter objektiven Gesichtspunkten auch irrige Annahme, ein Marathonlauf könnte unter den vorherrschenden Umständen ein Selbstläufer sein. Das persönliche Erfolgserlebnis war nur leider durch die damals noch eingelegte Marathon-Winterpause von immerhin einem halben Jahr schon wieder erheblich verblasst.

Die drei, in der Rückschau betrachtet, hervorragenden und durch nichts zu ersetzenden Supporter hatten sich zusammen mit mir frühzeitig im Hotel Alsterkrugchaussee, und damit direkt an der Strecke, zwei Doppelzimmer gesichert. Wie aufgrund der strategischen Lage nicht anders zu erwarten, waren viele andere Marathon-Starter im Hotel anzutreffen. Dementsprechnd kreisten die abendlichen Gespräche um das bevorstehende Großereignis, das damals wie heute, sofern man denn als Teilnehmer vor Ort ist, als eines der Lauf-Highligthts des Jahres angesehen werden kann.

Am Samstagabend verfolgten nichtsdestotrotz alle im TV die vermeintliche Vorentscheidung in Sachen Deutsche Fußball-Meisterschaft für Leverkusen. Der Sieg von 1860 München gegen Bayern München (2:1) war gleichbedeutend mit dem Abschied des Rekordmeisters von den Titelambitionen. Als die Leverkusener am Marathon-Sonntag ein 4:1 gegen Bielefeld nachlegten, schien der 3-Punkte-Vorsprung aufgrund des Restprogramms zementiert. So blieb nur noch eine Restspannung bis zum letzten Spieltag erhalten: an diesem 20. Mai 2000 allerdings vergeigte Leverkusen die sichere Meisterschaft durch das historische 0:2 in Unterhaching. So waren wir, inklusive Frank als wirklicher Bayern-Fan – zu allem Überfluss hatten wir auch zusammen die einem hammerartigen K.O. gleichkommende 1:2-Niederlage im Champions-League-Finale 1999 gegen Manchester United live erlebt – ziemlich mitgenommen angesichts der Tabellen-Konstellation. Nach einigen Bieren akzeptierten wir die zwischenzeitliche Auszeit des FC Bayern und konnten beruhigt schlafen gehen.

Der folgende Tag jedoch brachte nach erfolgversprechendem Beginn eine wahre Kaskade von negativen Lauf-Erlebnissen, die mir in der Art sowohl vorher als auch nachher nicht mehr widerfahren ist. Im einzelnen konnte ich die ersten 10 km noch nach 43:30 min. passieren, 20 km nach immerhin 1:27:40 h (eigentlich sehr gut zu der Zeit), die Halbmarathonmarke schlägt mit 1:33:30 h zu Buche, dann allerdings folgte mit völlig indiskutablen 2:28:50 bei 30 Kilometer (1:01:10 h für die vorangegangenen 10 km) ein veritabler Einbruch, der später bezogen auf die Gesamtdistanz wegen des zwischenzeitlichen Aufenthaltes im Zimmerflur unseres unmittelbar an der Strecke liegenden Hotel zumindest teilweise zu erklären war.

Ich hatte nämlich plötzlich überhaupt keine Lust mehr auf Marathon und stieg trotz der an dieser Stelle eigentlich unnötigerweise durch Absperrzäune hermetisch abgeriegelten Laufstrecke relativ unspektakulär, jedoch unter den Augen aller anwesenden Zuschauer, die an diesem Spotlight zusätzlich durch ein mit Moderatoren besetztes Zelt unterhalten wurden, aus dem Rennen aus. Nebenbei gab es noch einige Missfallensbekundungen, die mich jedoch kaum mehr berührten und relativ schnell verebbten. Einer mehr oder weniger im Ziel war den Zuschauern angesichts der vorliegenden Kilometer-Marke letztlich ziemlich schnell wieder egal. Im Hotel ließ man mich trotz des doch sehr sportlichen und verschwitzten Outfits ohne Zimmernummer-Angabe oder Nachfrage in den entsprechenden Gebäudetrakt passieren.

Ich hatte allerdings und verständlicherweise natürlich keinen einzigen Schlüssel für das Hotelzimmer. So saß ich mehrere Minuten ziemlich konsterniert und gedankenschwer vor verschlossenen Türen, die sich in der betreffenden Situation selbstredend niemals öffnen würden. Nach einigen wenigen weiteren und im Nachhinein aufgrund der angegriffenen Psyche durch die Bank absolut unsinnigen Überlegungen beschloß ich, das Rennen trotz aller Widrigkeiten irgendwie wieder aufzunehmen. Ich konnte meine Fans an der Strecke einfach nicht dermaßen enttäuschen, und ich wollte diese verdammte Finisher-Medaille. Mit dieser Maßgabe ging ich nach wie vor mehr oder weniger desorientiert erneut ins Rennen.

Wie aufgrund der Auszeit von ca. 7 Minuten nicht anders zu erwarten, benötigte ich bis zur 40 km-Marke unter den genannten Umständen eigentlich recht respektable 59:40 min. und landete bei einer Zwischenezeit von 3:28:30 h für den Abschnitt zwischen km 30 und 40. Ich war offensichtlich doch nicht völlig von der Rolle und zumindest zeitweilig Herr meiner Sinne. Im Ziel ergab sich somit allerdings zwangsläufig eine völlig indiskutable Zeit von 3:42:11 h (davon nochmals allein 13:41 min. für die letzten 2 km, auf denen dann gar nichts mehr ging), die insbesondere aufgrund der grassierenden Aufgabe-Gedanken nachhaltig in unangenehmer Erinnerung geblieben ist. Solch einen Marathon will und möchte ich nie wieder erleben. Zum Glück geschah dergleichen in dieser Form nicht nochmals. Die aufgrund der schlechten individuellen Tagesform dann zum ersten Mal tatsächlich vollzogene Aufgabe in Köln 2005 steht auf einem anderen Blatt…

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