laufmonster.de

Laufmonster.de

Wer lange läuft, der ist hier richtig!

In the heat of the night – Marburger Nachtmarathon

2014-07-04_00971.jpg

Im Frühjahr 2011 bestritt ich einen Marathon im Rahmen des Lahntallaufs in Marburg, und mir gefiel die historische Altstadt mit ihren verwinkelten Gassen, den zahlreichen restaurierten Fachwerkhäusern, den alten Kirchen, dazu die Atmosphäre, die von über 20.000 Studenten geprägt ist. Nobelpreisträger, Martin Luther, die Brüder Grimm lebten und wirkten in dieser Stadt. Eingebettet ist Marburg in eine durch die Lahn geprägte grüne Auenlandschaft, und hoch über der Stadt thront das Landgrafenschloss. So fasste ich den Entschluß, diese Stadt wieder zu besuchen und diesmal den Marburger Nachtmarathon zu absolvieren, der gleichfalls vom Ultra Sport Club Marburg veranstaltet wird. Hier lief 2007 Olympiasieger Dieter Baumann einen Halbmarathon und gewann ihn natürlich.

2014-07-02_0001.jpg

Am 4. Juli reiste ich pünktlich genug aus Köln an, um noch vor den Absperrungen einen Parkplatz vor der Jugendherberge zu erwischen, wo ich eine Übernachtung gebucht hatte. Den Nachmittag verbrachte ich entspannt am Ufer der Lahn, bis es Zeit wurde, mich zur Startnummerausgabe am nahegelegenen Universitätsstadion zu begeben.

Dort befand sich eine kleine Messe im Freien, die allerdings unter dem kurzzeitigen Regen etwas litt. Meine Startnummer erhielt ich formlos gemeinsam mit einigen Sicherheitsnadeln in die Hand gedrückt. Bei einem Startgeld von 25 – 27 € hatte ich auch keine große Tüte voller Beigaben erwartet. Für den Marathon waren nur 149 Starter gemeldet, der ebenfalls angebotene Halbmarathon zählte 1096 Anmeldungen. Hinzu kamen 468 Staffel-Läufer.

Auf dem gemeinsamen 750 Meter langen Weg zum Start auf dem Marktplatz standen entlang der Lahn zahlreiche Public Viewing Hot Spots, und so gelang es uns tatsächlich, das frühe WM-Führungstor der Deutschen gegen Frankreich live zu sehen. Das gab zusätzlichen Auftrieb! Der weitere Weg zur Oberstadt führte über teilweise steiles Kopfsteinpflaster. Man hätte allerdings auch den kostenlosen Fahrstuhl gegenüber dem Welcome Hotel nehmen können.

2014-07-02_0009.jpg

Das Stimmengewirr auf dem romantischen Marktplatz vor dem spätgotischen Rathaus wurde nicht wie sonst üblich von Musik übertönt, und so konnte ich mich in Ruhe unter anderem mit dem bekannten Moderator Arthur Schmidt und anderen unterhalten. Aufsehen erregte eine unüberschaubar große Zahl von Läufern in den gelben T-Shirts der Deutschen Vermögensberatung. Nach einer kurzen Ansprache von Artur Schmidt wurde ’An Tagen wie diesen’ eingespielt und lautstark mitgesungen, gemeinsam zählten wir die Sekunden runter, und um 19 Uhr fiel der Startschuss.

Über grobes Kopfsteinpflaster liefen wir die enge Barfüßerstrasse hinunter. Absperrungen gab es nicht, und die Außenbestuhlung der vielen Cafés und Kneipen sorgte für weitere und unvermutete Engpässe, die sogar kurz zum Stillstand führten. Hinter dem Barfüßertor liefen wir in einer 170°-Spitzkehre stadteinwärts zur alten Universität über die halbseitig gesperrte Universitätsstrasse vorbei am Stau, in dem auch mehrere Linienbusse standen. Hinter der berühmten Elisabethkirche hatte sich das Feld spürbar auseinander gezogen.

Am Ende der Elisabethstraße erreichten wir den Wehrdaer Weg und bei km 4,1 die erste Verpflegungsstelle. Bei auch am Abend noch hochsommerlichen Temperaturen wurde das angebotene Wasser dankbar angenommen. Insgesamt gab es für Marathonläufer 11 Verpflegungsstationen, mit Wasser, Tee, Iso, Cola, Bananenstückchen und Keksen. Allerdings wurde das Angebot im Laufe des Abends immer spärlicher – auch weil Halbmarathonläufer wohl sehr gründlich zugegriffen hatten. Hier hätte man seitens der Veranstalter Einiges für später zurückhalten sollen.

2014-07-02_0004.jpg

Wir liefen linksseitig an der Lahn entlang, überquerten sie und erreichten im Stadtteil Wehrda nach 6 km die nördlichste Stelle der Laufstrecke. Auf dem Lahntalradweg ging es zurück nach Marburg. Kurz mussten wir parallel zur stark befahrenen B3 laufen, dann ging es wieder runter zur Lahn und abseits vom Verkehr vorbei an Kleingärten. Schon bei km 8,3 konnten die Flüssigkeitsspeicher erneut aufgefüllt werden. Kurz danach traf ich auf Anton Reiter von Marathon4you und nutzte wieder die Gelegenheit, Werbung für den KölnMarathon zu machen. In der Nähe des Stadions war die Hölle los: Überall fieberten die Menschen lautstark vor den Fernsehern mit. Es ging vorbei an der Jugendherberge, und nach 11 Kilometern war die Nordschleife beendet. Jetzt begann die insgesamt dreimal mit jeweils leicht abgeänderter Streckenführung zu durchlaufende Südschleife. Langweilig wurde es trotzdem nicht.

Nach dem Überqueren der Lahn über den Hirsefeldsteg erreichten wir bei km 11,6 die nächste Verpflegungsstelle. Immer wieder goß ich mir an den Getränkestellen einen Becher Wasser zur Kühlung über den Kopf, und auch den angebotenen wassergetränkten Schwamm nahm ich dankbar an, denn es war immer noch sehr sehr warm. Sogar eine Dusche war unterwegs aufgebaut worden. Dennoch mussten zwei Krankenwagen uns auf der Strecke entgegen fahren, um erste Hilfe zu leisten. Wie so oft beim Marburger Nachtmarathon hatte die Hitze unter den Läufern, die sich übernommen hatten, ihre Opfer gefordert. Wir blieben respektvoll stehen, um die Einsatzwagen vorbei zu lassen, nur ein Läufer lief weiter. Ausgerechnet diesen Läufer überholte ich viel später, während er sich gerade fürchterlich und lautstark übergab. Zum Glück war seine Frau bei ihm.

2014-07-02_0005.jpg

An der Wechselstation für die Staffeln wurden wir wenigen Einzelläufer lebhaft angefeuert. Wir überquerten eine weitere Holzbrücke und liefen an der Lahn entlang durch eine grüne Auenlandschaft über eine etwas wellige Strecke: mal kurz, mal heftig, mal langgezogen. Bei km 15,2 in Gisselberg gab es wieder reichlich zu trinken und frische Schwämme. Einheimische feuerten uns freundlich an. Das gab Schwung für den bevorstehenden Anstieg auf eine Brücke der B3, die die Lahn überspannt. Als eine Läuferin per Handy vom Endstand des gewonnenen Fußballspiels erfuhr, teilte sie uns dies freudig mit. Unter der nächsten Brücke stimmmte ich laut „Olé, olé, olé – we are the champions“ an, es hallte von den Wänden zurück, und viele stimmten ein.

Es folgten als Traileinlage ein Schotterweg, Feldwege und sogar ein Stück gemähter Rasenstreifen in der Nähe der Steinmühle. Am Ortsrand von Cappel gab es eine kleine Zusatzschleife. Anschließend liefen wir wieder über einen Asphaltweg entlang des weltweit ersten Planetenlehrpfads für Blinde und Sehende. Bei km 18,3 war an einer Unterführung unter der B255 wieder ein Getränkestand aufgebaut, bei dem es sogar Power-Gel gab. Wir folgten wieder dem Lahnradweg, der jetzt parallel zur B3 verlief. Am Stadion bogen die Halbmarathonis ab, ich lief geradeaus auf die Holzbrücke, auf der eine Frau zur Kontrolle die Startnummern notierte. Kurz dahinter herrrschte immer noch Superstimmung, denn zahlreiche Staffelläufer warteten hier noch auf ihren Einsatz.

Der nächste Rundkurs begann, und das Feld hatte sich stark gelichtet. Nach dem Getränkestand bei km 21,3 ging es wieder über Gisselberg, Steinmühle, Cappel und den Lahntalradweg auf einer jetzt leicht verkürzten Strecke. Die Temperaturen wurden jetzt angenehmer. Dennoch griff ich bei km 24,9 sowie km 28,7 jeweils bei den angebotenen Getränken zu. Als ich wieder am Stadion vorbeilief, hörte ich gerade die Siegerehrung der Halbmarathonis und sah den Stadionrasen voller Menschen. Noch einmal wurde ich an der Wechselstation der Staffelläufer angefeuert, bei km 31,7 gab es noch einmal Getränke, dann lernte ich die Einsamkeit des Langstreckenläufers kennen.

Die Nacht brach schnell herein, und diese Runde entwickelte sich zum echten Nachtlauf. Die Augen gewöhnten sich zwar schnell an die Dunkelheit, und auf den zunächst guten Wegen konnte man problemlos laufen. In der Ausschreibung war ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass Läufer, die länger als 4 Stunden unterwegs sein würden, eine Stirn- oder Taschenlampe mit sich führen sollten. Ich hatte gut daran getan, während des gesamten bisherigen Laufs eine Stirnlampe in der Hand zu tragen, die ich mir jetzt, auf der letzten Runde, umband.

2014-07-02_0010.jpg

Leider wurde man aber auf dem Weg nach Gisselberg immer wieder von Autos auf der parallel verlaufenden Strasse geblendet und lief anschließend eine gewisse Zeit wie im Blindflug. Bei km 35,3 gab es – ohne dass ich dies wusste – den für mich letzten Getränkestand, denn die Verpflegung bei km 38,3 war bereits abgebaut worden, wie ich dann feststellen musste. Der oben erwähnte Trailabschnitt hinter Cappel zwang mich zu erhöhter Vorsicht, und ich drosselte mein Tempo, um nicht zu stolpern und mir dadurch einen Fuß zu verstauchen. Hier war es stockfinster. Das Wegstück, das gefährlich nahe an der Lahn lag, hatte man jetzt mit einem Lichtschlauch ausgeleuchtet, der mich fast blendete. Im weiteren Verlauf strengte ich mich an, die weißen Pfeile auf dem Boden nicht zu verfehlen, denn verlaufen wollte ich mich jetzt nicht mehr. Ich freute mich, als ich wieder Asphalt unter den Füßen hatte und in einiger Entfernung Licht entdeckte. Allerdings lenkte mich dann ein Streckenposten mit der Angabe: “geradeaus und an der nächsten Strassenlampe links“ falsch. Zum Glück bemerkte der nächste Streckenposten an der zweiten (!) Strassenlampe das Malheur und rief laut: „Hier abbiegen!“

Puh! Jetzt war ich auch nicht mehr allein, sondern ließ mich überholen und überholte selbst Marathonis, die zu Fußgängern mutiert waren. Ca. 2 km lang regnete es leicht, was ich aber als durchaus angenehm empfand. Allerdings war der Himmel dadurch auch über dem freien Feld besonders dunkel. In der Ferne erblickte ich das angestrahlte Landgrafenschloss auf dem Hügel über der Altstadt. Die letzten Kilometer wurden abgespult, dann der Zeileinlauf unter Flutlicht ins Stadion, wo noch eine Dreiviertelrunde zu absolvieren war. Im Ziel wurde mir eine schön gestaltete Medaille mit der Abbildung des Marburger Hochzeitshauses umgehangen. Die meisten Zuschauer und Läufer waren längst verschwunden, und nur wenige hatten bei dem leichten Nieselregen an den nicht überdachten Biertischen ausgeharrt.

Artur Schmidt begrüßte mich ausführlich und lud mich wenige Minuten später zur Siegerehrung ein. Ich erhielt einen giltzernden Pokal als erste (und einzige) in meiner Altersklasse und durfte mir dazu noch einen schönen Sachpreis aussuchen.

Als Genussläufer ohne zeitliche Ambitionen war ich angetreten und froh, ohne Blessuren oder gar vom Wege abgekommen zu sein, das Ziel erreicht zu haben. Wie schreibt der Veranstalter auf seiner Homepage: „Hochsommerliche Temperaturen und drückende Schwüle wirkten sich allerdings deutlich negativ auf die Leistungsfähigkeit aus.“

Nach 4:48:43 h war ich als 17. von 23 Frauen ins Ziel gekommen. Die Zeitnahme erfolgt übrigens elektronisch unter Verwendung des in die Startnummer integrierten Bib-Chips. Insgesamt finishten von 149 vorangemeldeten Teilnehmern 125 über die Marathondistanz. Es siegten bei den Frauen Daniela Stander in 3:44:48 h und bei den Männern Dieter Kux (M50!) in 2:55:23 h.

Etwas spärlich war die Zielverpflegung, denn außer Wasser, Iso und drei kleinen Bananenstückchen gab es nichts mehr. Ich erfuhr von einer freundlichen Helferin, dass die Halbmarathonis ganze Tabletts mit Verpflegung abgeschleppt hatten. Duschen konnte man sich im Stadion; ich zog allerdings die nahe gelegene Jugendherbergsdusche vor.

2014-07-02_0002.jpg

Fazit: Ein gut organisierter Marathon für Läufer, die bei sommerlichen Temperaturen die malerische Umgebung genießen wollen und auch mal ohne Zuschauer-Anfeuerungen durchhalten können, wenn es dunkel und einsam wird. Das auf den Freitag folgende Wochenende kann anschließend noch zu einem Kurzurlaub mit Sightseeing genutzt werden.

Bericht bei Laufreport

4 Kommentare zu „In the heat of the night – Marburger Nachtmarathon“

  1. Liebe Verena,
    wieder einmal ein toller, ausführlicher Bericht von einem Deiner zahlreichen Marathons. Herzlichen Glückwunsch zum Erfolg und weiterhin gute Erholung. Welche Marathon-Stadt in Deutschland fehlt Dir denn jetzt noch?
    Bis bald
    Harald

  2. Hallo Verena,

    schöner Bericht. Hört sich streckenweise sehr abenteuerlich an dein Nachtlauf. Bestimmt sehr vernünftig da auf Nr. Sicher zu gehen. Glückwunsch und gute Erholung. Sabine

Kommentar verfassen

Nach oben scrollen