Als ob ich es geahnt hätte, reiste ich schon am Vortag mit der Bahn an und erlebte eine derart chaotische Anreise, dass die handschriftliche Schilderung eine DinA4-Seite füllte – „Thank you for travelling with Deutsche Bahn“! Nach dem Einchecken im empfehlenswerten Hanse-Hostel Rostock erholte ich mich ein wenig auf dem Weg zur historischen Stadtmitte, dem ’Neuen Markt’ mit seinen schönen Giebelhäusern, wo die Startunterlagenausgabe erfolgte. Auffallend war, dass in der Stadt nirgendwo ein Anzeichen zu entdecken war, dass die Marathon-Nacht bevorstand: Weder stand etwas in den örtlichen Zeitungen, noch sah man bereitgestellte Absperrgitter oder Plakate, die auf das Event hinwiesen, auch Läufer waren kaum auszumachen. Alles war fokussiert auf die Hanse Sail, eine internationale Regatta mit 2000 Seglern, die in der Woche nach dem Marathon beginnen sollte.
Im Rathaus erhielt ich meine Startnummer sowie das für 5 € vorbestellte attraktive nachtblaue Baumwoll-Finisher-T-Shirt (für 16 € bekam man ein Funktions-Shirt) und ein paar Sebamed-Pröbchen. Ein Kleiderbeutel war in den sehr preiswerten Frühmeldergebühren von 30 € nicht enthalten; es gab nur einen Startnummernaufkleber, mit der der private Kleiderbeutel zu versehen war. Für die Zeitnahme wurde ein kleiner Plastikkarten-Chip mit Transponder ausgehändigt, der im Ziel zurückgegeben werden musste.
Den nächsten Tag verbrachte ich faulenzend bei herrlichem Sommerwetter in Warnemünde am Strand und fand mich dann am späten Nachmittag wieder auf dem Neuen Markt ein. Dort irrte ich lange herum, fragte Ordner, die keine oder die falsche Auskunft gaben, bis ich die gut versteckte und mit einem falschen Hinweisschild versehene Kleiderbeutelabgabe fand. So war ich schon gut warm gelaufen, als um 18:00 Uhr der Start erfolgte.
Ja, es war schwülwarm in der Innenstadt mit dem Kröpeliner Tor aus dem 13. Jahrhundert und den Wallanlagen, die wir zweimal durchliefen, bevor wir zum Hafen abbiegen konnten. Pfeile am Boden wiesen uns den Weg.
Dort begann ein sanfter Nieselregen, der allerdings nur wenig Erfrischung brachte. Auf dieser (nahezu) Pendelstrecke hatten wir Gelegenheit, einige Großsegler zu bewundern. Während uns in der Stadt noch Passanten anfeuerten, wurde es jetzt sehr ruhig. Wir liefen zum anderen Ufer, wo uns entlang der Unterwarnow durch kleine Wäldchen und Grünanlagen der Ausblick auf die Rostocker Skyline begleitete.
Der jetzt einsetzende Regen brachte nicht nur etwas Abkühlung, sondern bescherte auch zusammen mit der tief stehenden Sonne einen doppelten Regenbogen, der leider in unserem Rücken auftauchte. Wie bedauerte ich, keinen Fotoapparat dabei zu haben!
Durch ländliche Gegend kamen wir nach Krummendorf. Der Regen hatte aufgehört, und die Temperatur wurde läuferfreundlicher. Im Villenviertel Gehlsdorf gab es ein paar „Stimmungsnester“, dann wurde es wieder ländlich, und wir näherten uns dem Warnowtunnel, der die Unterwarnow unterquert. Hier wurde um 20:00 Uhr der Halbmarathon gestartet, zu dem die Läufer per Schiff transportiert worden waren. Die Staffelläufer waren sogar zu ihren jeweiligen 7 Wechselpunkten ‚verschifft’ worden.
Dieser Tunnel ist die erste mautpflichtige, privatwirtschaftlich betriebene Fahrstrecke Deutschlands im Durchgangsverkehr. Für uns Läufer wurde sie für den Autoverkehr komplett gesperrt. So leicht das Eintauchen und Durchlaufen des 790 Meter langen Tunnels war, so mühselig gestaltete sich die anschließende lange Steigung. Durch die Alte Warnemünder Chaussee erreichten wir schließlich den IGA-Park, wo 2003 die Internationale Gartenausstellung stattfand. Nach etwas mehr als fünf Kilometern „Erholung“ im heute noch ansprechenden Gelände folgte dann die gleiche Prozedur in umgekehrter Reihenfolge. Am Ende des Tunnels gab es nicht nur eine Verpflegungsstelle, sondern auch gute Mucke, die Beine machte. An den zum Glück alle 4 – 5 km eingerichteten Verpflegungspunkten bekamen wir Wasser, mitunter auch Cola, leider nur zweimal Bananen- und Äpfelstücke. Zum Glück hatte ich eigene Verpflegung dabei.
Wieder ging es durch Felder, Wald, eine kleine Wohnsiedlung bis Toitenwinkel. Manche Anwohner saßen immer noch draußen beim Abendbrot und wollten partout nichts von ihren leckeren Tomatenstückchen abgeben. Hinter Gehlsdorf ereichten wir nach Kilometer 36 wieder das Warnowufer. Die Nacht war hereingebrochen, und die jeweiligen Kilometerschilder nahm man nicht mehr war. Übrigens wurden in diesem Jahr erstmals die bereits gelaufenen Kilometer angegeben und nicht wie in den Vorjahren die noch zu laufenden Kilometer… Circa 4 Kilometer ging es wieder auf dem Naturweg an der Unterwarnow entlang, der nun in regelmäßigen Abständen mit kleinen Grubenlampen bestückt war – sehr romantisch! Der Blick schweifte hinüber auf die andere Seite mit der hell erleuchteten Stadt, deren Silhouette sich im Wasser spiegelte.
Nach diesem Highlight wurde es allerdings plötzlich brenzlig: Bisher waren die Wege weitgehend verkehrsfrei gehalten worden, und mit wenigen Ausnahmen wurden wir perfekt von Ordnern geleitet, so dass ich mich nur einmal kurz verlief. Jetzt musste eine Strasse überquert werden, auf der reger Autoverkehr herrschte. Als ich mich näherte und fragte: „Wohin?“, bekam ich die Antwort: „Da, wo das grüne Licht ist.“ Besagtes Licht stand klein und unscheinbar am Boden, verdeckt von den hin und her fahrenden Autos! Schließlich erbarmte sich ein Polizist und hielt den Verkehr für mich an. Puh!
Eine Steigung noch, dann musste in der Innenstadt noch eine große Schleife über grobes Kopfsteinpflaster gelaufen werden. Ich schloss mich dem jungen Zugläufer Markus mit dem 4:30er Luftballon an, der anbot, mich zu ziehen. Tatsächlich verdanke ich seinem Einsatz meine Punktlandung im Ziel auf dem Marktplatz: Brutto 4:30:00 h, netto 4:29:41 h als 13. von insgesamt 25 Frauen. Danke noch mal, Markus!
Jens Grünthal aus Lübeck siegte in 2:56:47 h und bei den Frauen Patricia Kusatz aus Berlin in 3:16:28. Die vom Veranstalter angegebenen 1671 Teilnehmer schließen Halbmarathonis, Walker, Staffel-Läufer und Kinder vom Kids Lauf mit ein. Den Marathon finishten 224 Teilnehmer.
Mit frisch erworbener Medaille um den Hals Getränke, Bananen- und Apfelstücke aufgenommen, dann machte ich mich auf die Suche nach den Massagebänken. Wie bei der Kleiderbeutelausgabe war auch die Massage nicht ausgeschildert, und ich irrte suchend und unwissende Ordner fragend über den Marktplatz. Schließlich fand ich das Massagezelt versteckt hinter den Rot-Kreuz-Einsatzwagen.
Fazit: Der Nachtmarathon in Rostock ist sowohl ein Stadt- als auch ein Landschaftsmarathon. Die Strecke ist abwechslungsreich mit einer sportlichen Bewährungsprobe beim zweimaligen Durchqueren des Warnowtunnels. Für das niedrige Startgeld verzeiht man die kleinen oben genannten Mängel.
Hallo Verena,
sehr schöner Bericht von wieder mal einem anderen Lauf.
Beglückwünscht habe ich Dich ja schon. Gute Erholung und bis zum nächsten Lauf am Wochenende.
Harald
Super Verena,
liebe Vielläuferin, das ist wieder einmal ein sehr schöner Bericht und eine respektable Zeit. Der Lauf ist wohl eine Reise wert. Bis zum Monte Sophia,
LG Guido