Wer an einer Senioren Europameisterschaft teilnehmen möchte, muss mindestens 35 Jahre alt sein. Nie hätte ich gedacht, dass ich jemals bei einer EM mitlaufen würde. Bei der elftägigen Veranstaltung in Aarhus/Dänemark (27. Juli bis 6. August) fand am letzten Wettkampf-Tag der Halbmarathon statt. Schnell waren die Formalitäten beim DLV erledigt. Ich reiste schon zwei Tage vorher an. So konnte ich viele Wettkämpfe unterschiedlicher Disziplinen und Altersklassen verfolgen. Der Halbmarathon der Europameisterschaft ist eingebettet in einen „normalen“ Stadt Halbmarathon, mit ca. 3.000 Teilnehmmern.
Bei der deutschen Mannschaftsbesprechung am Vortag erfuhr ich, dass alle EM Teilnehmer im 1. Block starten sollten, hinter uns tausende „normale“ Läufer. Pflicht war, das deutsche Trikot zu tragen, was jeder natürlich gerne tat. Für uns EM Teilnehmer zählte nur die Bruttozeit (Zeitnahme ab Startschuss). Ich nahm mir vor, mich ganz vorne aufzustellen, um keine Sekunden zu verschenken. Bei Meisterschaften tragen die Teilnehmer zwei Startnummern, jeweils eine vorne und eine hinten. Das war neu und ungewöhnlich für mich. Außerdem mussten wir wegen eventueller Dopingproben unsere Akkreditierungskarte während des Laufens dabei haben.
Endlich war es soweit. Nach einer kurzen Nacht registrierte ich mich am nächsten Morgen im Call-Room. Pünktlich um 9.30 Uhr erfolgte der Startschuss. Dann ging es auf die 21,1 km lange und kurvenreiche Strecke durch Aarhus, die zweitgrößte Stadt Dänemarks. Ganz vorne zu starten war für mich ein besonderes Erlebnis. Gleich während der ersten Kilometer merkte ich, dass das Niveau bei dieser EM sehr hoch war. Viele rauschten an mir vorbei, obwohl ich auch schneller lief als sonst. Man wurde einfach mitgezogen. Es war eine sehr wellige Strecke, mal rauf, mal runter, vorbei an allen Sehenswürdigkeiten der Stadt.
Aarhus ist eine Universitäts- und Hafenstadt und in diesem Jahr Kulturhauptstadt Europas. Beeindruckend sind die vielen schönen alten Häuser, der Dom, das Kunstmuseum und der Seehafen. Es lief gut bei mir. Ich konnte meinen 5 Minuten/km-Schnitt beibehalten. Schwierig wurde es, als wir mehrere Kilometer an der Küste des Kattegat (Meeresenge zwischen Nord- und Ostsee) entlangliefen. Der starke Wind wechselte ständig seine Richtung, und ich verlor einige Sekunden.
Viele Menschen standen an der Strecke und jubelten uns zu. Die EM Teilnehmer erkannte man an den besonderen Startnummern (auch am Rücken). So konnte ich zwei km vor dem Ziel noch eine Dänin meiner Altersklasse (W55) überholen. Die letzten 400 Meter liefen wir eine Runde durch das Stadion. Ein irres Gefühl, wenn auf einmal die Glückshormone ausgeschüttet werden. Es war unglaublich! Ich war die zweitbeste Zeit meiner Laufkarriere gelaufen, und das bei einer Europameisterschaft.
Ich belegte den 11. Platz in meiner Altersklasse, in der deutschen Mannschaftswertung wurde ich 4. meiner AK und verpasste somit leider die Mannschaftsmedaille. Schon 30 Minuten nachdem die letzten Läufer im Ziel waren, wurden der Zielbogen und die Verpflegungsstände im Stadion abgebaut. Das hatte ich so noch nie erlebt. Es war aber wegen der abschließenden 4 x 400
Meter Staffeln verständlich.
Die Erlebnisse in Aarhus waren sehr beeindruckend. Auf sehr hohem Niveau starteten 35 bis 90 jährige Sportler aus vielen europäischen Ländern. Ich habe mit einigen über 80 jährigen Sportlern, denen man ihr Alter nicht ansah, gesprochen. Alles verlief nach dem Motto der Europameisterschaft: „You are never too old“.
Glückwunsch, aber bei dem Erfolg muss man auch sagen, dass nach ihrem Zieleinlauf noch 11 Frauen W55 die keinen Startpass hatten, viel schneller -und alle aus Dänemark- waren. Von den ersten 10 Frauen W 55 bei den Deutschen Senioren Meisterschaften in Hannover 2017, die alle unter 1:45:10 Std. war nur eine bei den EU Meisterschaften an den Start gegangen. Auch die beste Kölnerin W55 Sabine Fischer war nicht am Start. Warum ? eine gute Frage, einige können das aus beruflichen Gründen, finanzielle oder krankheitsbedingt nicht. Übrigens Heide Boch von der SC München lief am 12.03.2017 in Kandel als schnellste Frau in der W 75 sagenhafte 1:47:20 Std.
Helmut Urbach trifft den Nagel auf den Kopf. Es ist ungerecht, dass nicht alle potentiellen Läufer bei einem Wettbewerb gleichzeitig an den Start gehen. Insbesondere profane Gründe wie Geld, sollten keine Rolle spielen. Ich hoffe, dass der LSV irgendwann einmal genug Geld mit den vielen Porzer Veranstaltungen verdient hat, Altersklasseatlethen zu finanzieren. Frau Fischer aber auch Gabi Zange wären würdige Vertreter.
Gabi Zange erfüllt sich hier einen Traum, wie so viele von uns in New York oder London. Warum es bei ihr Aarhus ist, wird nur sie beantworten können. Ich hoffe, sie wird sich nicht vorwerfen, nicht alle anderen Europäerinnen, die mangels Geld oder Zeit nicht antreten konnten, nicht geschlagen zu haben. Das ist nicht Sinn unseres Tuns.
Helmut Urbach hat ein zweites Mal Recht. Startpässe sind doof. Da laufen doch Leute außerhalb der Wertung, nur weil Sie so etwas nicht besitzen. Falsch. Gerade die Laufmonster aber auch andere Laufgemeinschaften, sind Beweis, dass es viele gibt, die traditionelle Vereine nicht wollen.