Wenn es im vergangenen Winter oder zu Beginn des Frühjahrs bereits einen Beitrag von mir gegeben hätte, dann hätte dieser mit „Auf der Suche nach der verloreren Form“ überschrieben werden müssen. Natürlich, ich wollte 2013 „mit weniger km das Niveau halten“, was sich gerade im Grundlagentraining als nicht gerade einfach darstellt. Und wenn dann neben dem geplanten Urlaub auch noch die winterliche Grippewelle zuschlägt… So war es logisch, dass in den Winter- und Frühjahrstests (15 km bei der WLS in Köln-Porz, 10 km in Erftstadt und der HM in Köln-Rodenkirchen) nur eher mäßige Resultate heraussprangen, verglichen mit den 2012 doch deutlich gestiegenen Erwartungen. Ab Mitte März merkte ich dann aber, dass es aufwärts ging. Der Test am Ostermontag in Kerpen (Doppelstart 5 km/ 10 km) wurde gut verkraftet, die Kraft kehrte in die Beine zurück und die km wurden flotter und leichter.
Dennoch, für den 14. April und die Deutsche Meisterschaft auf der Halbmarathon-Distanz rechnete ich mir auch persönlich nicht viel aus. Eigentlich habe ich auf einer solchen Veranstaltung auch nichts zu suchen, aber wenn der eigene Verein TV Refrath diese ausrichet, dann bietet sich ein Start einfach an. Aber mit welchen Ambitionen? In der Einzelwertung ging es eher darum, in der Hauptklasse nicht letzter zu werden (im DLV gibt es bei Meisterschaften keine M30-Wertung), in der Mannschaftswertung konnte ich auch nichts wirklich beitragen, mindestens sechs Läufer aus dem eigenen Verein sollten auf jeden Fall schneller sein, selbst eine Platzierung in „Team 3“ schien unsicher). Die persönliche Bestzeit aus dem Herbst 2012 (1:16:04 h) war nach den Testrennen zu urteilen ebenfalls weit außer Reichweite. In schlimmsten Befürchtungen sah ich mich schon von Jan Fitschen überrundet…
So stand ich dann am gestrigen Sonntag gegen 10:25 Uhr in der Mitte des Feldes und erwartete nervös den Startschuss. Um mich herum die Vereinskollegen und bekannten Gesichter aus der Region. Ganz vorne wurden gerade die Stars den Zuschauern vorgestellt. Die äußeren Bedingungen waren gut, die Beine fühlten sich locker an, Zuversicht und Vorfreude stiegen von Sekunde zu Sekunde. So wechselte ich hinsichtlich der Renntaktik auch von „defensiv“ auf „offensiv“ und plante einen 3:36er Schnitt. Es galt auf einer Wendepunktstrecke 4 Runden à 5.275 Meter zu absolvieren, mit einer leichten Steigung hin zum oberen Wendepunkt (für Orstkundige: von Refrath aus „hoch“ in Richtung Mediterana-Therme). Nach dem Startschuss klemme ich mich an Vereins-„Laufmonster“kollege Manuel Skopnik, den ich als besonnenen Läufer auf den ersten Kilometern kenne und der von der Form her etwa in meinem Bereich liegen sollte.
Die ersten beiden Kilometer im 3:30er Schnitt, etwas flott, aber noch okay. Dann das erste mal die ansteigende Straße aus dem Ort heraus verbunden mit einer großen Überraschung: Es fühlt sich leicht und locker an, die Beine sind wirklich gut an diesem Tag. Das Tempo pendelt sich auf dem gewünschten Schnitt ein und ich finde eine kleine gute Gruppe um Gero Pietsch aus Aachen und dem M45er Erwin Zachmann aus Bayern. Manuel nimmt ein wenig raus, bleibt aber immer in Reichweite. 10 km vergehen wie im Fluge, nach 35:46 Minuten passiere ich das kleine Schild mit der „10“ am Straßenrand. Die bisherige Saisonbestleitung über 10 km von 36:15 mal eben um 29 Sekunden unterboten. An der dritten Steigung laufen wir auf ein kleines Grüppchen um den U23 Nachwuchs des ASV Köln mit Lukas Schommers und Marius Trompetter auf. Die Durchlaufzeit nach drei Runden zeigt dann eine 56:xx, ich beginne zu rechnen… 4 x 19 = 76… so viel schafft mein Kopf noch.
Unverhofft kommt die persönliche Bestleistung in Reichweite. Das Tempo halbwegs halten, das könnte reichen. Aber auf der vierten Runde schwindet dann doch das Gefühl der Leichtigkeit. Die Gruppe zerfällt, ab jetzt kämpft jeder für sich. Das letzte Mal die leichte Steigung hoch. Dieses Mal ist es wirklich eine Steigung auch wenn ich hier immer noch recht gut hinaufstampfe. Vom Wendepunkt sind es dann nur noch gut zwei Kilometer. Ich bekomme leichte Krampfanzeichen in der Bauchmuskulatur, ich sehne das Ziel herbei… 1 km bergab und dann noch 1 km kämpfen… es kann immer noch reichen… Auf die Uhr schauen und rechnen ist nicht mehr drin, will ich auch nicht… einfach alles geben… Da… die „20“ am rechten Straßenrand… meine Mitstreiter laufen einzeln, jeder für sich, der eine zieht bereits den Schlussspurt an, andere sind schon sichtlich am Limit… Ich bin gedanklich längst im Tunnel… kann ein einziger Kilometer soooo lang sein?
Da… der Zielbogen… die letzten 200m… ich gebe noch mal Gas… es steht tatsächlich noch eine 1:15:xx auf der Uhr… unglaublich… 1:15:55 zeigt die Uhr beim Überqueren der Ziellinie, netto werden es dann 1:15:51 und eine neue persönliche Bestzeit. Ein geiles Gefühl. Ich gratuliere den Mitläufern und suche meine Vereinskollegen… sechs von ihnen sind schon im Ziel, Manuel Skopnik folgt nur wenig hinter mir. Vereinskollege Martin Koller ist Vizemeister in der M45 in einer 1:13:34 h, Wahnsinn. Insgesamt holt der Verein als Ausrichter 5 Medaillen in den Altersklassen (2x in der Einzelwertung, 3x im Team), aber das erfahren wir alles erst viel später. Ich bin in Lauf 1 (Männer bis AK 45) als 88. von 171 gewerteten Läufern immerhin im Mittelfeld gelandet und auch in der Hauptklasse bin ich zumindest nicht letzter. :) Auch am heutigen „Tag danach“ kann ich nicht wirklich erklären, warum die Form auf einmal da war, ich nehme das dann einfach mal so hin. Nun noch knapp drei Wochen durchziehen und ein wenig tapern, dann steht am 12. Mai der vivawest-Marathon durchs Ruhrgebiet an. Wenn sich dann die Beine ähnlich anfühlen, habe ich sicher nichts dagegen.
Videos: Vor dem Start des Männer-Laufes, Ausgewählter Zieleinlauf, Vor dem Start des Frauenfeldes sowie Männer ab M50
Alle Teilnehmer der Halbmarathon DM in Refrath auf über 1.600 Fotos in insgesamt 23 Slideshows (werden noch sukzessive komplettiert): Startvorbereitungen Männer Hauptlauf und Start, Einführungsrunde und Warm Up der Moderatoren, Beginn 2. Runde, Start- und Zielbereich nach Ende der 1. zu Beginn der 2. Runde, Auf in Runde 3, Hochbetrieb an Start/Ziel, Jan kommt zur finalen Schleife!, Zieleinlauf bis 1:10 h, Bis 1:20 h, Weiterer Zieleinlauf bis 1:30 h, Nachzügler Hauptlauf und Startaufstellung Frauen/Männer 50+, Einführungsrunde in der Fußgängerzone, Eingangs der 2. Runde, Auf geht´s…, …in die 3. Runde, Kreuz und quer am DLV-Bogen, In die letzte Runde…, Mobilisierung der Reserven, Zieleinlauf bis 1:20 h, Bis 1:25 h, Bis 1:30 h, Bis 1:40 h, Tecis Team Sprint & Ausklang
Viele weitere Bilder von Mike Fresenborg und Winfried Schommers werden nach Aufbereitung an dieser Stelle definitiv noch folgen!
Fotos im Bericht: Kai Engelhardt
Hallo Moritz,
da will ich doch gerne nochmal gratulieren zu Deiner Wahnsinnszeit! Da warst Du topfit zum richtigen Zeitpunkt. Ich hoffe, Du hältst die Form für den Marathon und die evt. Läufe im REA-Cup.
Mit Deinem eindrucksvollen Bericht erlebe auch ich das Rennen nochmal. Gerade die beiden letzten Kilometer, toll!
Gute Erholung und bis bald!
Harald
P.S.: Wenigstens hat mich Jan auch nicht eingefangen:)
Hallo Moritz,
Auch an dieser Stelle noch mal Glückwunsch zur PB (das wusste ich Sonntag noch gar nicht, dass es Bestzeit war)!
Einen eigenen Bericht brauch ich nicht zu schreiben, denn bei mir lief es genauso wie bei Dir. Meine 1:16:16 grenzen an ein Wunder nach der Vorbereitung, eben auf den Punkt doch noch fit geworden. 10 Tage vor der DM bin ich noch 36:26 über 10 gelaufen, Sonntag dann ein 10 km Zwischenzeit von 35:50 – wie geht das ?
Genieße den Erfolg und die Leistung. Vielleicht passiert Dir ja beim Marathon auch „Großes“. Ich bin ja auch dabei und freue mich schon, dass wir ein gutes Stück zusammen laufen können. Uns fehlt nur noch ein dritter TV Refrather für ein schönes Mannschafts-Resultat. Vielleicht startet ja noch wer…?
LG Manuel