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Wer lange läuft, der ist hier richtig!

Aller guten Dinge sind drei!

201204290030.jpgEine wahrhaftig „scharfe“ Zeit in der Stadt des berühmten Senfes sollte am Ende einer langen und intensiven Trainingsphase seit Beginn des Jahres tatsächlich Wirklichkeit werden und damit einen meiner bisher größten Lauferfolge bedeuten. Auch wenn ich mich wiederhole, so muss ich wiederum bestätigen, dass mir als gebürtigen Kölner die Marathonstrecke in der Landeshauptstadt wirklich liegt. Mein dritter Start dort und meine dritte persönliche Bestleistung. Ja, wo möchte „ne kölsche Jung“ denn auch ehrlich noch schneller durch sein als durch das Dorf an der Düssel? Also gute Voraussetzungen von Beginn an.

201204290031.jpgBei nahezu perfekten Wetterbedingungen (bedeckt, um die 15 Grad, etwas Wind allerdings) wurde das Rennen nach kurzer Vorstellung der Favoriten pünktlich um 9 Uhr gestartet. Einradfahrer, Handbiker und Schüler waren bereits im Vorfeld ins Rennen geschickt worden. Neben einigen afrikanischen Läuferinnen und Läufern, die einen neuen Streckenrekord anvisierten, waren aus deutscher Sicht auch Jan Fitschen und Anna Hahner am Start, die noch die Olympianorm für London in diesem Jahr erreichen wollten. Leider musste Jan mit muskulären Problem vorzeitig aussteigen. Anna verpasste die Norm nur um wenige Sekunden, erzielte bei ihrem Marathondebüt aber mit 2:30:14h eine hervorragende Zeit und einen sechsten Platz.

201204290405.jpgEine Woche hatte ich mir vor dem Rennen den Kopf zerbrochen, welche Taktik und welchen km-Schnitt ich denn nun angehen sollte. Noch vor einem Monat hätte ich die schließlich gewählte, offensive Vorgehensweise mit einem 4er-Schnitt niemals in Erwägung gezogen, aber die Halbmarathonzeit zwei Wochen zuvor (erstmals unter 1:20 h) sowie die guten Trainingseinheiten veranlassten mich zu dem Entschluss von Beginn zügig anzugehen. Natürlich war mir klar, dass ich diesen Schnitt bis zum Ende der Distanz normalerweise nicht halten könnte. In der Vergangenheit – so auch beim letzten Marathonstart in Frankfurt – waren ab ca. km 32 meine Kräfte meist aufgebraucht gewesen. Aber: Einmal Monster, immer Monster! Stärke zeigen und kämpfen!

Vom Start weg konnte ich zügig loslaufen. Keine längere Wartezeit, Stau oder aufwändige Überholungen, wie ich es im Oktober noch in der Mainmetropole erlebt hatte. Aus dem roten Startblock heraus fand ich auf der Strecke Richtung Norden bei leichtem Gegenwind, der aber noch kaum behinderte, in meinen Rhythmus. Schnell zog sich das Feld auseinander, was allerdings zur Folge hatte, dass ich zunächst alleine lief. Das war nicht ideal, da ich doch gerne in Gruppen laufe, die einen praktisch mitziehen können. Des weiteren merkte ich früh meine Oberschenkel. Komisch, hatte ich vielleicht zu viel trainiert, zu wenig ausgeruht? Das kannte ich so bei mir noch nicht. Ich hielt das Tempo trotzdem im Schnitt von etwa 4 Min./km. Bei km 8,5 stand erstmals meine kleine Fangruppe um Nadia, die mich frenetisch anfeuerten. Super!

dscm1201.jpgDann kam die Oberkasseler Brücke, und es ging hinüber auf die „geliebte“ linke Rheinseite. Hier konnte ich mich endlich an eine Vierergruppe von Läufern heranhängen, die ebenfalls einen 4er Schnitt laufen wollten. Unter ihnen war u.a. Sascha Velten, ein mir bekannt schneller Läufer, der heute quasi als Pace-Maker für einen Lauf-Kollegen einen eigenen Trainingslauf für den in drei Wochen stattfindenden Duisburg-Marathon absolvierte. Ein Marathonlauf im 4er Schnitt als Training: Ohne Worte! Gemeinsam liefen wir durch Oberkassel die etwa zehn Kilometer auf der linken Rheinseite. Wir wurden etwas langsamer als der anvisierte Schnitt, und beim Anstieg der Oberkasseler Brücke zurück auf die andere Rheinseite, zogen zwei meiner Mitstreiter das Tempo an, während Sascha sich mit seinem Kollegen, dem das Tempo zu schnell war, zurückfallen ließ. Ich hielt ungefähr einen Schnitt von 4:02 Min., lief aber nun ab km 20 wieder allein. Inzwischen hatte ich einige wenige Läufer, die schnell angegangen waren und jetzt bereits Probleme bekamen, überholt.

Dann kam die Halbmarathonmarke. Die Hälfte war geschafft. 1:24:40 h! Puh, so schnell war ich noch nie bei einem Marathon gewesen! Hochgerechnet noch mal so schnell hätte eine Zeit unter 2:50 h bedeutet. Doch das war nicht möglich. Mal sehen, wie lange ich das Tempo halten konnte. Jetzt ging es auf die breiten Straßen, zum Teil über Straßenbahngleise kreuz und quer durch die Stadt. Ich kannte die Strecke ja bereits aus den Vorjahren und wusste, dass einige mir unangenehme Passagen noch vor mir lagen.

Bei km 21,5 war mein persönlicher Fanclub wieder „am Start“. Ich bekam ein Gel und jede Menge Applaus. überhaupt war die Stimmung an der Strecke wieder toll: Zahlreiche Bands, stimmungsgeladene Zuschauer. Auch die Verpflegungspunkte, die ich reichlich ansteuerte, waren sehr gut organisiert und mit Wasser, Iso-Getränken, Cola, Bananen reichlich bestückt.

201204290406.jpgBis ca. km 24 verlief die Strecke Richtung Norden auf der Roßstraße. Hier lief ich nun ganz allein (vor mir keiner mehr zu sehen) im Gegenwind. So langsam meldeten sich meine Knochen und Muskeln wieder und fragten sich wohl, wie lange sie das noch mitmachen sollen. In der Gruppe war es doch einfacher gewesen. Nun ja, „et musste wigger jonn“! Plötzlich kam Sascha Velten von hinten praktisch an mir vorbei gesprintet. Sein Compagnon musste einige Gänge zurückschalten und hatte Sascha laufen lassen. Wir wünschten uns alles Gute und sähen uns bestimmt nachher im Ziel. Es ging weiter in östlicher Richtung, einen kleinen Anstieg über die Bahnlinie, vorbei am Eisstadion auf der Brehmstraße und schließlich bei km 28 durch die Fritz-Wüst-Straße, wo wiedermal alle Marathoni, Einradfahrer und Handbiker frenetisch bejubelt wurden. Mein Schnitt war inzwischen nur unwesentlich, vielleicht zwei Sekunden langsamer geworden und ich konnte den einen oder anderen Läufer überholen. Da wurde ich plötzlich wieder schnell überholt. Es war wiederum Sascha, der einen Zwischenstopp auf einem Dixi-Klo einlegen musste. Es wurde etwas wärmer, ich nutzte wirklich jede Verpflegungsstelle.

km 30: 2:00:44 h! Schneller als meine Bestzeit über 30 km bisher in einem Rennen. An gleicher Stelle war ich vor zwei Jahren genau drei Minuten später. Nicht übel, aber ab jetzt gings ans Eingemachte. Eine Endzeit unter 2:50 h war jetzt ganz klar nicht mehr drin und meine Muskeln meldeten sich immer mehr. Es ging wieder über die Bahnlinie. Kurzer Anstieg, kurz bergab. Da, von jetzt auf gleich Krämpfe in beiden hinteren Oberschenkelmuskeln. Was war das? Das hatte ich seit Jahren nicht gehabt und schon gar nicht bereits bei km 32. Sch…! Sollte es das gewesen sein. Das ganze Training, der Zeitaufwand, die guten Laufzeiten im Vorfeld: alles für die Katz? Ich nahm etwas Tempo raus und verkürzte meinen Schritt. Konzentration! Durchhalten! Wenigstens so lange es geht!

Bei ca. km 33 zum letzten Mal mein Fanclub auf der Strecke vor dem Ziel. Ich wollte fluchen ob meiner krampfenden Muskeln. Es gab ein weiteres Gel, Wasser und weiter. Hatte ich zu viel Flüssigkeit, Elektrolyte verloren? Egal, was sollte das Nachdenken darüber. Ich wollte nun einfach weiterhin jeden Getränkestand aufsuchen und möglichst im gleichmäßigen Tempo den Rest hinter mich bringen. Es lief wieder besser. Erstaunlicherweise konnte ich bis km 37 noch drei Läufer überholen, die schwer zu kämpfen hatten. Dann musste aber auch ich mein Tempo reduzieren. Mit 4:20 Min./km war ich aber noch zufrieden.

Bei km 38,5 kamen einem die schnelleren Läufer entgegen, die nur noch wenige hundert Meter zu absolvieren hatten und auf die Zielgerade am Rhein abbogen. Ich sah quasi das Ziel und musste vorbei laufen. Das war nun richtig hart. Die körperliche Grenze war spätestens jetzt erreicht. Gut, es waren nur noch etwa vier Kilometer, aber der Bogen über die Königsallee wurde wieder einmal zur Tortur, obwohl die Anfeuerung riesig war. Inzwischen musste auch ich mich überholen lassen. Jetzt nur noch im Zeitraffer zu ertragen.

Cola am letzten Verpflegungspunkt. Nochmal Energie. km 40! Warum nur 42,195 km? Nie sind zwei Kilometer so lang und können so wehtun! London sei Dank! London, Düsseldorf, Frankfurt: Egal! Ich will nur nach Hause, mich auf eine Wiese oder an einen Strand legen! Oder eine warme Badewanne! Warum mache ich diesen Schwachsinn eigentlich immer wieder mit? Monster, locker bleiben!

201204290032.jpgDie vorletzte Kurve bei km 41. Da, der Hinweis auf den letzten Kilometer! Jetzt nicht mehr kollabieren! Eine Cheerleader-Gruppe baut sich neben mir auf. Ich muss grinsen. Realität oder schon Wahnvorstellungen? Ein Moderator nennt unter lautstarker Musik meinen Namen. Ich versuche freundlich gequält zu grüßen. Ja, ich bin noch da! Ich sehe die Einbiegung auf die Zielpromenade am Rhein. Von rechts Fotogewitter! Justus mit einer Serie kurz vor dem Zieleinlauf. Oh weih, ich sah bestimmt schon mal besser aus. Egal, hier geht`s nicht um Schönheit. Die Zeit ist das Ziel!

harry1.jpgDie Einbiegung bergab auf die Rheinpromenade! Ich sehe von weitem den Zielbogen, die Menge jubelnder Zuschauer und vor allem die Uhr. Unglaublich! km 42: „Endspurt“ steht dick geschrieben auf der Straße. Ha, ob das noch ein Spurt ist, was ich da jetzt gerade veranstalte. Jetzt nicht stürzen! Alles, was noch geht, alle noch verfügbaren Reserven in die Beine! Kurz vor der Ziellinie reiße ich die Arme hoch, oder wenigstens einen. Ich merke es nicht mehr. Ãœber die Linie, es ist geschafft! Der Blick auf meine Laufuhr verrät mir eine Bruttozeit von knapp über 2:52 h! Super, super, super!!! Ich könnte die Welt umarmen und bin plötzlich gar nicht mehr so kaputt!

zielvortag.jpgLetztlich betrug die Netto-Zeit exakt 2:52:00 h, was eine Verbesserung der persönlichen Bestzeit von 5:20 Minuten (an gleicher Stelle gelaufen vor zwei Jahren) bedeutete. In der Rangliste des Zieleinlaufs war dies bei den Männern insgesamt Platz 64 und Platz 11 in meiner Alterskategorie. Inzwischen schien auch die Sonne und trug zu einem perfekten Tag bei, den wir gemütlich ausklingen ließen. Bedanken möchte ich mich ausdrücklich bei meiner Fangruppe und vor allem bei Nadia, die mich vor, während und nach dem Rennen hervorragend unterstützt hat!

Noch habe ich Muskelkater, aber der nächste Wettkampf, auf den ich mich freue, steht schon wieder an. Vielleicht könnte es auch bald wieder ein Marathon sein. Warum mache ich das eigentlich immer wieder? Wohl, weil ein Monster in mir lebt!

50 Fotos von Justus Scharnagel

Veranstalter und Ergebnisse

Fotos im Bericht: Justus Scharnagel/Frank Carbach/Kai Engelhardt/Daniel Kagelmacher

12 Kommentare zu „Aller guten Dinge sind drei!“

  1. Lieber (H)arald, das hat aber geprickelt… was für ein schöner Bericht zu einem echt GEILEN Lauf von Dir. Auch wenn das Jahr es angedeutet hat, dass da noch was kommen würde, ist eine 2:52 echt klasse… Gute Erholung und bis demnächst… mal sehen wo.

    Daniel

  2. Hallo Namensvetter,

    gratuliere zu deiner klasse Leistung.

    Eine Frage bzw. Feststellung in deinem Bericht befasst mich auch schon ein Läuferleben lang!!!

    Zitat :

    „Warum mache ich diesen Schwachsinn eigentlich immer wieder mit?“

    Und auch ich habe die Antwort für mich noch nicht gefunden !

    Viele Grüße, gute Regeneration und bis Frechen

    Harald III

  3. Als Du mich vor 4 Monaten beim Silversterlauf im Finish überspurtet hast, da hätte ich schon ahnen können, das da ein echtes Laufmonster in dir steckt.

    Glückwunsch zur Bestzeit und vielleicht spurten wir demnächst auch mal wieder im Kölner Raum gegeneinander um die Plätze…

  4. Hallo Harry!
    Ich kann es nur immer wieder sagen: Wahnsinn ! Das hast Du Dir wahrlich verdient – genieße den Moment !
    Und noch dazu ein toller Bericht, da möchte ich am liebsten auch gleich wieder einen Marathon im Dorf für nächstes Jahr einplanen ;-)
    Bis bald mal, Du Monster-Harry!

    LG Manuel

  5. Hey Harry,
    Nicht zu fassen! Da hast du ja deine Marathon-Bestzeit im wahrsten Sinne des Wortes pulverisiert! Meinen allerherzlichsten Glückwunsch zu dieser Mega-Leistung!! Geiler Bericht! Und was deine Ängste mit den Krämpfen betrifft.. kann ich nur allzu gut nachvollziehen.. hatte ich in London auch.. zwar nicht im Oberschenkel, sondern unterm Fuss.. aber so ziemlich zur gleichen Zeit wie du! ;) alles andere als angenehm.. Klasse durchgezogen hast du das! Hoffe du hast dich in der Zwischenzeit gut erholt und wir sehen uns bald mal wieder!!
    VG
    Daniel

  6. Harald, ich ziehe den Hut ! Wooowh…. Echt schöner Bericht, bei dem man sich teilweise selber wiedererkannte und natürlich eine Spitzenzeit! Primaaaa :-)
    (und bald entlocke ich dir beim 4. Kölsch dein Doping-Rezept…!)
    Gruss, Daniel G.

  7. Hallo Harald,

    Perfekter Bericht, perfekter Lauf und so eine Pulverisierung Deiner Bestzeit. Wahnsinn und Glückwunsch!!!

    Du bist echt ein Monster. Am Sonntag schon wieder ein Wettkampf. Wir sehen uns dann wohl – in Frechen.

    Freue mich drauf, dir persönlich zu gratulieren.

    Lg Torsten

  8. Hallo Harald, du Supermonster!

    Ganz große Leistung beides: Dein Marathon-Lauf und der detaillierte spannende Bericht!
    Herzlichen Glückwunsch!

    Ich freue mich darauf, dir in Frechen noch persönlich gratulieren zu dürfen. Anschließend werde ich mir wohl tagelang nicht die Hände waschen …

    ;-))

  9. Hey Harald,

    wie schon per Mail, hier nochmal: HAAAAAMMER!!!!!!

    Jetzt kannst Du Dich ja entspannt zurücklehnen und in aller Ruhe den Zeltplatz für Guido und mich in Deinem Garten präparieren.
    Wir sehn uns Sonntag

    Micha

  10. Harald, ich weiß nicht, wie Du das macht, aber Du machst es (Otze). Großer Respekt, weil Du ein wahres Laufmonster bist. Ich freue mich auf ein LG Wiedersehen in Frechen und ein lecker Kölsch für uns zum Abfeiern.

    LG Guido

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