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14. Köln Marathon: DNF – von 100 auf 0

20101005009.jpgEs hätte ein perfekter Tag werden können, wenn das Wetter nicht urplötzlich so aufgedreht hätte. Warm schon vor dem Start, dazu heftiger Wind aus südlichen Richtungen und eine mal wieder endlose Warterei im ersten Startblock. Muss das jedes Jahr in Köln immer wie auf der Kirmes sein? Marlen hatte mich um kurz vor halb zwölf doch noch gefunden. Nach guter Vorbereitung und ähnlichen Ergebnissen in den letzten Wochen hatten wir kurzerhand verabredet, die Distanz gemeinsam auf Zielzeit unter drei Stunden anzugehen, für Marlen wäre das eine Premiere gewesen, aber eine Marke, auf die Sie konsequent hingearbeitet hatte. Top austrainiert und blendend wie immer sah Sie aus. Wenn es heute nicht klappen sollte mit der „2 vor dem Doppelpunkt“, ja wann denn dann?

Weitere Minuten des Wartens mussten wir über uns ergehen lassen, währenddessen ich versuchte, noch ein paar Mitstreiter zur gemeinsamen Tempoarbeit zusammenzutrommeln. Jens war auf Kurs unter 2:50 h, Markus wollte unter 2:40 h bleiben, Pierrem sein Wohlfühl-Tempo um die 4 min./km angehen und Helmut setzte ebenfalls auf den glatten 4er-Schnitt. Alle für uns wesentlich zu schnell, wollten wir doch mit einer 4:15er-Zeit einrollen und dann langsam auf 4:10 min. steigern. Den Pulk Belgier hatte ich nicht auf der Rechnung, doch gerade sie sollten wir auf der Strecke recht bald wiedersehen. Endlich ging es los und nach 400 Metern hoch auf die Deutzer Brücke, eine der heftigsten Steigungen des Parcours. Über den Scheitelpunkt und schon nahte am Brückenende die erste km-Marke: 4:11 min. war die Durchgangszeit, perfekt, wie gemalt, abgehakt.

20101005001.jpgNach der Talsohle Heumarkt wieder eine leichte Steigung hoch zum Neumarkt, km 2 in 4:10 min., OK, vielleicht ein wenig schnell, aber ich hatte das Schild auch übersehen. km 3: 4:06 min., Marlen meinte, wir sollten das Tempo drosseln, aber es lief absolut rund und wir waren halbwegs an ein paar Männern dran. Vor uns konnten wir auch relativ leicht zwei Frauen ausmachen, die zu diesem Zeitpunkt auf dem 2. und 3. Platz lagen. Die spätere Siegerin Katharina Heinig war bereits deutlich enteilt. Was tun?

20101005002.jpgWir liefen das Tempo einfach weiter den Ring hinunter und wurden immer wieder von noch deutlich schnelleren Läufern, die im Startblock ein paar Reihen hinter uns gestanden hatten, überholt. Wir ließen sie ruhig passieren, keine Spur eines Mitgerissen-Werdens. Die Schnitte waren atemberaubend: km 4: 4:11:44 min., km 5: 4:11:30 min., km 6: 4:11:88 min., weiter ging es mit Splits zwischen 4:11 und 4:15 Minuten. Ich glaube, ich bin die ersten km eines Marathons noch nie so auf den Punkt, ja quasi auf den Bierdeckel gelaufen. Dazu alles homogen und flüssig. Die Stimmung stieg, die Sprüche wurden lockerer. Dirk als Radbegleitung holte uns vom Sattel aus immer wieder ein wenig auf den Boden der Tatsachen zurück.

20101005003.jpgAm Rheinufer Richtung Bayenthal ein heftiger Wind von vorn und aus allen Richtungen, Marlen dirigierte mich vor sich. Alles klar, kein Problem. Meine zwischenzeitliche Aufforderung an den Rattenschwanz schneller Männer, der sich an Marlens Fersen geheftet hatte, der Top 3-Kandidatin zu helfen und Sie abzusichern, verhallte mehr oder weniger ungehört. Zwei, drei Männer gingen mal nach vorne und positionierten sich im Wind, die anderen 10 bis 12 blieben in sicherer und windgeschützter Deckung. Zuschauer und liebe alte Bekannte, die beherzt anfeuerten, kurz vor dem Knick weg vom Rhein.

20101005004.jpgkm 9: 4:05 min.: zu schnell laut Marlen. Die „Hallo!“-Rufe wurden deutlicher. Sie war ein wenig unzufrieden mit mir, weil ich keinen Schutz suchte. km 10: 4:11 min. und damit insgesamt 41:48 min., Wahnsinn, dieses Timing. Die Euphorie stieg weiter, wir waren perfekt im Rennen! km 11: 4:07 min., zu schnell, ich weiß…, OK, km 12: 4:12 min., geht doch. km 13: 4:11:16 min., gefolgt von 4:12:68, 4:14:84, 4:15:04, 4:14:96 und 4:11:78 min. (km 18). Wenn man auf Zielzeit angeht, muss es genau so bzw. wie ein Uhrwerk laufen. Rund, runder, Köln Marathon. Dann plötzlich ein Abreißen, genau auf Höhe von Bunert bzw. der Aachener Str., ich verliere Zentimeter um Zentimeter auf Marlens Gruppe inkl. Motorradbegleitung, die mit Kamera minutenlang neben der mittlerweile 3. Frau herfährt. Ergebnis: 4:17:83 bei km 19 und ein Rückstand von drei bis vier Metern, ausgerechnet vor der Stimmungshochburg Ring.

20101005005.jpgEinbiegen auf den Hotspot, bei HDI-Gerling ist leider nichts zu sehen und zu hören, keine Ansage, keine Bekannten. Durch das enge Zuschauer-Spalier geht es weiter zu Jochen auf den Friesenplatz. Lautstarke Moderation und donnernder Applaus für Marlen, den ich, der mittlerweile 10 bis 15 Meter hinter Ihr läuft, voll abbekomme. km 20: 4:27 min. glatt, der Traum zerbröselt von einer auf die andere Sekunde. Kein Energiefluss mehr, der Kopf arbeitet verstärkt, die Beine sind eigentlich klar, was ist denn bloß los? km 21: 5:29 min., mittlerweile mit einer Gehpause, Zwischenzeit 1:29:46 h, etwas, worüber ich eine Woche zuvor in Heimerzheim bei einem Test-Halbmarathon in 1:26:45 h gelacht hätte. Heute 1:30:15 h. Kollege Dieter Hermanns kommt von hinten und will die Reste von mir aufsammeln. Das ist sehr nett und ich versuche, das Angebot anzunehmen, aber der rote Faden ist und bleibt verschwunden. Geht heute überhaupt noch was oder ist es zu Ende mit der Herrlichkeit?

20101005006.jpgDas Hirn arbeitet, sagt: Lauft, ihr Haxen. Nix mehr, Schluss mit lustig, es ist vorbei, Ende, aus, Flasche leer. Ich verliere 30 Meter auf Dieter und nehme den nächsten Abschnitt in Ehrenfeld in 4:48 Minuten. Doch es geht immer noch schlimmer… Am Colonius gibt es zum ersten Mal Cola auf der Piste, also rein damit und zusammenreißen für den Holunder. Ich biege beherzt um die Ecke in die Subbelrather Str. und will mir und den wartenden Fans Stärke suggerieren, doch die Eingeweihten sehen bereits von weitem den unrunden Laufstil und haben längst registriert, dass ich mindestens fünf Minuten hinter Marlen liege. Ich könnte mir Zeit lassen und sogar ein erstes Kölsch auf den Frust trinken, habe aber immer noch die Hoffnung, dass es vielleicht noch einmal besser wird.

20101005007.jpg12:58 min. für die nächsten zwei Kilometer bis zum Reichenspergerplatz lassen die Stimmung mental dann allerdings absolut in den Keller rauschen, ich konnte gerade noch Carsten und Torsten abklatschen und viel Erfolg im Kölner Norden wünschen. Am Hansaring wäre bereits eine Ausstiegsmöglichkeit gewesen, die ich von 2005 gut kannte. Der Kopf wollte es aber immer noch nicht wahrhaben und eierte mit nutzlosem Beiwerk noch einen Kilometer weiter bis zum finalen Ultimo. Ganz kaputtmachen wollte ich mich heute nicht, also beendete ich die Qual vorzeitig…

20101005008.jpgMarlen lief insgesamt auf den 4. Platz (!) der Damen mit einer Zielzeit von 3:05:09 h und damit nur Sekunden hinter Ihrer Bestmarke! Die Platzierung war den Kampf auf den letzten Kilometern wert, aber von der Form her wären an diesem Tag 10 Minuten weniger drin gewesen. Es hat bei Wärme und Wind nicht sollen sein, so dass wir alle weitere Herausforderungen suchen können. Einige gewichtige Stimmen wollen mir aktuell Frankfurt schmackhaft machen, aber dort würde ich in weiter gehaltener Form wirklich nur antreten, wenn mir wie letztes Jahr wieder ein Startplatz zufliegt.

Dank an Marlen für den kurzzeitig tollen Lauf. Ich bin auf Anfrage bereit zu neuen oder weiteren Aktionen dieser Art und würde mich jederzeit wieder als Pacemaker zur Verfügung stellen. Das ist mir die Sache wert und hat unglaublichen Spaß gemacht. Weiterhin Dank an die Fotografen Daniel und Thorsten Fink, die alles gegeben und es wirklich fast geschafft haben, jede Gesichts-, Gemüts- und Körperregung der Akteure perfekt und für die Ewigkeit festzuhalten! Vielen Dank dafür.

Fazit: Es herrschten beileibe keine idealen Bedingungen, wie in der Presse überall kolportiert wird. Daher der Tipp an den Veranstalter, nächstes Jahr den Marathon-Start auf 9 Uhr vorzuziehen. Da ist es dann wirklich egal, wie das Wetter ist oder später wird…

www.koeln-marathon.de

www.marlen-guenther.de

Alle 100 Fotos des Sonntags so far: www.pixum.de/slide/5171752

Bilder von der Wasserschlacht (ohne Schwämme!) u.a. am Neumarkt unter www.glanzbilder.org/nggallery/post/14-koln-marathon-2010-die-bilder/slideshow/ oder www.flickr.com/photos/glanzbilder/sets/72157625095974816/

15 Kommentare zu „14. Köln Marathon: DNF – von 100 auf 0“

  1. Hallo Kai,

    erstmal: Ich finde es klasse, dass Du auch einen solchen (Negativ-)Bericht hier veröffentlichst, die Leiden des jungen E. kann man aus den Zeilen ja ganz gut lesen. Kopf hoch, es geht weiter. Ich konnte bei meiner Moderation bei KM 24 ja nur zu gut live miterleben, wie so viele Starter wie nie schon zu einem so frühen Zeitpunkt des Marathons schwer gelitten haben.
    Glückwunsch an Marlen zu dieser tollen Leistung und ich finde es natürlich auch schade, dass wohl das Wetter einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Vielleicht sollte der Köln-Marathon sein Konzept irgendwie überdenken, dass man auch hier zwischen 9 und 10 Uhr zu den 42,195 km starten kann. Der plötzliche Temperaturanstieg aus dem Nichts, von Herbstwetter hin zu Altweibersommer, das hat wohl einigen kreislaufmäßig zu schaffen gemacht.
    Ein Bericht von mir zum HM soll auch noch folgen, nur kann ich momentan noch nicht sagen, wann. Wir hatten wenigstens bessere Bedingungen und mussten ja auch nur die Hälfte laufen…

    Gruß, Manuel

  2. Hi Kai,

    ein packender Bericht, vielen Dank dafür! Es sollte eben leider nicht so sein. Erhol Dich gut. Das war schon ein krasser Wind am Sonntag, ich war mit dem Rad unterwegs….
    @Marlen: Glückwünsch zu Deiner genialen Zeit!

    LG Easy

  3. Toller, ergreifender Bericht. Die Strapazen eines Monsters! Der Wettergott spielte dieses Jahr wie auch in Berlin nicht mit. Deshalb ist Marlens Leistung auch um so höher zu bewerten. Herzlichen Glückwunsch!
    Allen Startern gute Erholung! Der nächste Lauf wird bessere Bedingungen bieten.

    Kai, wie wäre es mit `nem Kurztrip nach Malle? Dann wären wir dort ein Monster-Team?
    Harald

  4. Hallo Kai,
    also ich kann auch nicht verstehen, dass sämtliche Zeitungen von Top-Bedingungen für die Läufer geschrieben haben… Für die Zuschauer vielleicht.
    Auf jeden Fall hast Du alles richtig gemacht, da kann ich mir ne Scheibe von abschneiden, dann hätte mein Lauf auch ein besseres Ende genommen. Wie gesagt, ich habe auch vor, noch einen Bericht zu schreiben, ich weiss nur noch nicht, wann. Weiterhin gute Erholung und an Marlen die herzlichsten Glückwünsche zu der tollen Leistung bei diesen Bedingungen.

    Gruß Tanja

  5. Hallo Kai,
    hab dir ja bereits in ner Mail geschrieben, dass du mit Sicherheit alles richtig gemacht hast. Das ist leider auch Marathon: Spielt das Wetter oder andere Umstände an diesem einem Tag nicht mit kann die Vorbereitung optimal gelaufen sein – dann geht einfach nix! Mund abwischen und nächste Ziele anvisieren! Und nächstes Jahr laufen wir gemeinsam (wenn ich nicht wieder krank werde :-))!!
    Gruss, Daniel der Dritte!

  6. Boah, was Zeiten, welch Tempi, nä, da werd ich echt blaß!
    4:00er „Wohlfühltempo“, da träume ich nur von! Ihr seid ja echt ein Wahnsinns Haufen, unglaublich!
    Bin mal gespannt was ihr in Zukunft noch so alles reißen werdet, möglich ist bei euch ja so ziemlich alles ;-).

    LG
    Steffen

  7. Hallo Steffen,

    Du bist der, der bei diesen zunehmend mörderischen Temperaturen den richtigen Zug gezeigt hast. Also, ich verneige mich vor Dir und Deiner Leistung! Ich würde diese km-Umfänge überhaupt nie und nimmer schaffen, geschweige denn durchlaufen. Alle Achtung!

    Wir sehen uns hoffentlich bald…

    Grüße – Kai

  8. Kai, ich kann mich nur den anderen anschließen.
    Ich finde allerdings, Du solltest Dir nochmal ünberlegen, ob Du den nächsten Köln-Marathon wirklich völlig unambitioniert antrittst. Denn das wäre es für Dich, wenn ich Laufmonsterbegleitung hätte. Ich schaffe das auch mit der Unterstützung an der Strecke. :-)

  9. moin kai,

    eine richtig schöne zusammenfassung, die ich absolut nachvollziehen kann … auch ich musste meine gruppe quasi wie aus dem nichts zum ende der aachener strasse verlassen. schade, dass du die einsamkeit der nordstadt verpasst hast; war wirklich das schlimmste, die ganze amsterdamer strasse gegen den wind zurück zu müssen.

    viele grüße

    jürgen

  10. Hallo Kai,

    war nett Dich und Marlen zu treffen.

    Das Chaos und die Warterei am Start gehören offenbar zum Köln Marathon, wie der Sturm von vorne auf der Amsterdamer Str.. 3 KM Gegenwind; da kann man schon einmal den Mut verlieren. Zum Schluß wurde es dann ja wirklich warm.
    Bis zum nächsten Lauf; aber bei mir ist erst einmal Pause und Urlaub.
    Jens

  11. Hallo Ihr lieben Laufmonster!
    Danke an ALLE für die Glückwunsche, sehr nett von Euch! Ihr seit ein verrückter und extrem liebenswerter Trupp :-) Vielen Dank vor allem an Kai für die perfekte erste Hälfte. Als er deutlich vor der HM Marke nicht mehr bei mir war, da kamen schon erste Negativ-Gedanken. Nun gut, ich habe mich dann durchgekämpft und am Ende wirklich schwer gelitten. Wie das eine Bild deutlich zeigt :-) Trotzdem, danke für die Bilder!!! Die Reserven durch das ständige Ankämpfen gegen den Wind waren einfach aufgebraucht. Die letzten 10 km waren ja nur noch Gegenwind. Ich dachte manchmal ich stehe!!!
    @Frank C & Kai: wir sprechen da im kommenden Jahr drüber. Momentan liebäugel ich erstmal mit Hamburg MA (deutsche Meisterschaft) als neuem Versuch!
    @Daniel: ich hoffe Du bist wieder gesund! Mit Deiner Erkältung solltest Du dankbar sein, Dein Körper hat Dich vor dem Köln Marathon verschont :-) Dann lieber in Frankfurt die Bestzeit angreifen!

  12. da war mein Eintrag scheinbar zu lang. Der letzte Teil ist verschwunden.
    Wichtig waren nur noch ein paar Zeilen an Kai!
    @Kai: weit über den Möglichkeiten laufen macht auch keinen Spaß. Die Enttäuschung ist auch da am Ende groß. Das weißt du selber. Von daher war es richtig, wie Du entschieden hast. Der Körper ist keine Maschine! Du hast alle Optionen offen, Mallorca oder Frankfurt wenn Du wolltest, so könntest Du einen neuen Versuch wagen!
    LG, Marlen

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