laufmonster.de

Laufmonster.de

Wer lange läuft, der ist hier richtig!

Laufpremieren gestern und heute

20090614001.jpgFrüher, d.h. vor ungefähr 50 bis 60 Jahren, war alles…, ja wie eigentlich? Anders? Man wusste sich nach den Wirren der Nachkriegszeit schnell wieder ordentlich, kohlenhydrat- und ganz nebenbei auch äußerst fettreich zu ernähren, gerade weil nach dem zweiten Weltkrieg in den Wiederaufbau- und Witschaftswunderjahren körperlich zum Teil hart gearbeitet werden musste, um die Folgen der Zerstörungen zu beseitigen.

Ebenso bald griff jedoch in den nicht so hart beanspruchten bzw. ein wenig gehobeneren Gesellschaftsklassen die bekannte menschliche Schwäche zu einer sich allgemein verbreitenden Trägheit um sich und der sogenannte „Wohlstandsbauch“ wurde Ende der 50er Jahre innerhalb kürzester Zeit sogar allgemein vorzeigbar. „Futtern wie bei Muttern“ bzw. wie in besseren Zeiten war angesagt und das führte in einigen Bevölkerungsschichten, die sich kaum körperlich betätigten, schnell zu Übergewicht.

20100917001.jpgAnfang der 60er Jahre mehrten sich erstmals in Deutschland kritische Stimmen, die angesichts der Kalorienflut und der damit einhergehenden Probleme wie z.B. nachweisbarer Gewichtszunahme in großen Teilen der Bevölkerung, den (Lauf-)Sport als mehr denn je erfolgreichen Ausgleich propagierten. Auch der Zusammenhang zwischen großer Kalorienaufnahme, wenig körperlicher Betätigung und der Ausbreitung von schweren zivilisatorischen Folgekrankheiten wie z.B. Diabetes wurde damals erstmals vermutet und bereits sehr brisant diskutiert. Heutzutage alles gesicherte Erkenntnisse.

So nahmen sich einige Praktiker des Laufsports Anfang der 60er Jahre ein Herz und organisierten 1963 den ersten Volkslauf in Deutschland überhaupt, um zumindest die Laufbegeisterten zu animieren, sich im regelmäßigen Turnus sport- bzw. körperlich zu betätigen. In Folge gab es unzählige, womöglich mehrere hundert Premierenveranstaltungen in den Jahren bis 1970, von denen nicht wenige sportüberzeugte Zeitgenossen wie z.B. Paul Eppel (1918-2009) aus Ludwigshafen fast alle absolvierten und entsprechende Nachweise in Form von Medaillen sammelten.

Auch die von damaligen Funktionsträgern initiierte Trimm-Dich-Welle in den 70er Jahren sorgte wiederum für einen Premierenschub, von dem man sich in heutigen Tagen immer noch bei Ansicht der jeweiligen Auflage eines Laufes leicht überzeugen kann. Ebenso nahm die Zahl der Läufer, die an den mittlerweile pro Jahr über 6.000 Laufveranstaltungen in Deutschland teilnehmen, bis heute nachweislich und kontinuierlich zu.

Paul Eppel z.B. schaffte es, innerhalb von knapp 30 Jahren über 4.000 Finisher-Medaillen und Pokale zu erringen, wie gesagt, sehr sehr viele davon bei Erstveranstaltungen. Eine heutzutage unglaubliche Zahl, die aktuell selbst von hartgesottenen Vielfachstarten nie mehr erreicht werden würde. Nebenbei war er bereits vor dem Aufkommen der ersten Volkslauf- und Fitness-Welle läuferisch äußerst aktiv und bestritt auch viele Läufe im Ausland. Zudem wurde er bereits zu jener Zeit als „bekanntester Volksläufer“ im berühmten Guinness-Buch der Rekorde geführt. Ein Eintrag, den ihm 15 Jahre lang niemand streitig machen konnte.

201009121002.jpgHeute ist anscheinend mindestens noch ein moderner Premierenläufer oder besser -sammler zum Teil deutschlandweit unterwegs, der allen Ernstes meint, bereits nach ungefähr 170 und mehr Teilnahmen an offiziellen Erstauflagen in das Buch der Bücher gelangen zu können. Nach Faktenlage ein gewaltiger Trugschluss! Denn dies wird in absehbarer Zeit niemals funktionieren, da es erstens bundesweit nur noch einige Handvoll Premieren pro Jahr gibt und zweitens die Zahlen der Vergangenheit eine deutliche und schlichtweg unerreichbare Sprache sprechen.

Deshalb unser Rat an alle aktuell „vermeintlichen“ Rekord-Premierenläufer: hört doch endlich auf mit eurem den Rest der Laufgemeinde zum Teil nervigen Tun und widmet euch anderen wichtigen Aspekten des Ausdauersports und des Lebens, es gibt genug. Viele bzw. in der Regel alle sind wichtiger als das unmögliche Übertrumpfen von zwar aus dem Blickfeld geratenen und vielleicht sogar vergessenen, aber trotzdem noch vorhandenen und archivierten Annalen einer glorreichen Vergangenheit des Laufsports.

Wer spricht heute im Rheinland noch von den Topleistungen einer Brigitte Kraus, eines Karl Fleschen, Christof Herle oder Thomas Wessinghage in den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts? Fast niemand. Stattdessen taucht dieser Tage immer wieder ein bestimmter mittelprächtiger Läufer in den Lokal-Schlagzeilen auf, der es nicht auf Siege oder Pokale, sondern einfach nur auf die Teilnahme an Läufen, die zum ersten Mal stattfinden, abgesehen hat. Die Welt steht offensichtlich Kopf! Sie braucht doch nun wirklich keinen modernen „Erstauflagensammler“, der sich sogar von Veranstaltern an die Strecke chauffieren lässt, wenn er diese im Vorfeld nur lange genug traktieren konnte. Sie braucht ehrgeizige und ambitionierte Sportler, die mit Persönlichkeit und Biss vielleicht an die guten alten, besseren und vor allem „schnelleren“ Zeiten früherer Tage anknüpfen. „Premierenläufe“, sofern man diesen Begriff in Zukunft überhaupt weiter verwenden sollte, waren jedenfalls definitiv gestern…

Fotos: Jochen Baumhof (mit freundlicher Genehmigung)/Verfasser

1 Kommentar zu „Laufpremieren gestern und heute“

  1. Hallo Kai,

    diesen Artikel kann ich 100 prozentig unterschreiben. Endlich mal ein paar ehrliche Worte über diesen dümmlichen und arbeitsscheuen „Premierensammler“ !!!

    Viele Grüße aus Köln-Dellbrück

    Roger Biesenbach

Kommentar verfassen

Nach oben scrollen