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Läufer auf Abwegen – Flèche 2010: 435 km durch Deutschland

dscm1000.jpgMayen 13.5. / Eisenach 14.5.2010: Die ARA (Audax Randonneurs Allemagne), das deutsche Pendant des 1921 gegründeten Langstreckenradvereins Audax Club Parisien, ACP, der alle 4 Jahre den Klassiker Paris-Brest-Paris veranstaltet, hielt am vergangenen Christi Himmelfahrtstag wieder den zweijährig organisierten Flèche Allemagne ab: Über 50 Teams starteten größtenteils aus Deutschland, aber auch aus Österreich zu einer Sternfahrt, um sich auf der geschichtsträchtigen Wartburg im thüringischen Eisenach zu treffen. Ziel ist es, binnen 24 Std. eine möglichst weite Strecke kameradschaftlich zurückzulegen und die Tugenden der Randonneuere hochzuhalten.

abwegen.jpgHier mein Erlebnisbericht: In Zeiten, in denen man eher einen Ironman in Übersee bestreitet, anstatt heimische Gefilde zu erradeln, bietet sich der Flèche Allemagne immer wieder an, schulische Erdkundedefizite aufzuarbeiten. Außerdem schweißen 24 Std. Anstrengung und Problembewältigung die Teammitglieder zusammen wie sonst nur jahrelange Freundschaft. Start war um 9.00 in Mayen in der Eifel, Heimat des Radfabrikanten Teikotec (Chaka, Poison Bikes) bei Nieselregen und 6°C im 3er-Team aus Ulli Bechtholdt (Kapitän) und Joachim Hoose (beide Mayen) sowie Torsten Walter (ASV Köln).

dscm1010.jpgDie ersten km durch die Eifel gingen leicht von der Hand, nach Querung der Mosel wartete im Aspeltal bei Niederfell (Hunsrück) das erste Bonbon auf uns: Hier hat Canyon eine 10 km lange Bergzeitfahrstrecke (ca. 400 Hm) mit Stoppomat eingerichtet, man kann sich seine persönliche Zeit auf einer Stempelkarte dokumentieren lassen. Die Bestzeit hält Erik Zabel mit 17:47 min., knappe 12 Sekunden hinter ihm dann schon der Zeitfahr-Spezialist Michael Rich. Wir ließen es ruhiger angehen, lagen doch noch rund 400 km vor uns. Quer durch den Hunsrück ging es auf einer alten Eisenbahntrasse, die auch vom Hunsrück-Marathon benutzt wird. Nach 150 km überquerten wir leicht verfroren den Rhein mit der Fähre bei Nierstein und wechselten damit von Rheinland-Pfalz nach Hessen.

Glücklicherweise teilten wir die Fähre mit antiken Traktoren auf großer Fahrt, ausgestreckt auf der langen Motorhaube ließ sich etwas Wärme zurückgewinnen. Nun ging es weiter nach Osten durch den Spessart über Aschaffenburg (Bayern, Unterfranken) bis Lohr am Main (km 250), wo nach 11 Std. Brutto-Fahrzeit unser Abendessen geplant war. Vor den kulinarischen Genüssen musste ich nach einem eingebildeten „grünen Pfeil” (d.h. einer übersehenen roten Ampel) noch eine Zivilstreife der Polizei überzeugen, mir lieber 2 statt einem Punkt in Flensburg zu verpassen, dafür aber die 45 EUR Strafe zu erlassen, weil ich sonst das Abendessen beim Italiener nicht bezahlen könnte…

Hat geklappt! Guter Argumentation können sich auch bayerische Polizisten nicht verschließen. Um 23.00 sind wir dann mit doppelt und dreifacher Beleuchtungsanlage sowie Reflektorweste in die Rhön aufgebrochen (wieder 6°C Nieselregen) und gegen 3.00 Uhr war dann mitten im bayerischen Nichts bei mir der Tank alle, außerdem war mir schwindelig, weil ich anfangs versucht hatte, mit einer gelbgetönten Sonnenbrille im Dunklen zu fahren…

Ich wollte mich nur noch zum Schlafen in ein EC-Karten-Stübchen legen… Glücklicherweise vernahm Ulli Musik aus einem Fußballer-Clubheim, wo wir von stark angeschlagenen „Profis“ herzlich mit Bier (für sie) und Cola (für uns) empfangen wurden. Die kaputte Stereoanlage war so laut aufgedreht, dass man sich kaum verständigen konnte, aber es war warm und die Fußballer hätten ja eh nicht begriffen, wo wir herkamen und hin wollten. Gefeiert wurde wohl die Tabellenführung…

dscm1011.jpgDank an die 11 Freunde des Dörfchens Hohn bei Bad Kissingen!!! So gestärkt sind wir dann entlang der Fränkischen Saale bis 6.00 Uhr weitergeschlichen, wobei ich mich eher als Team-Bremse erwies… und kreuzten die Werra nach Thüringen. Punkt 7.00 Uhr dann die letzte Stempelkontrolle in einer herrlich duftenden Bäckerei mit frischen Brötchen, wo wir auch österreichische und bayerische Teilnehmer trafen, die noch viel schlimmeres Wetter hinter sich hatten…

Weil auf den letzten 27 km noch unerwartet viele Berge kamen (u.a. die Hohe Sonne, die allen Rennsteigläufern ein Begriff sein dürfte), hab ich es nach 435 km und ca. 4.500 Höhenmeter nur mit einem Wartburg-Tigersprung gerade noch um 2 Sekunden unter dem Zeitlimit ins Ziel geschafft, Ulli fehlten nach dem Schlussanstieg eine, Joachim 3 min. Wir haben uns für 2021 wieder verabredet, da gibt’s 100 Jahre Audax zu feiern!

Von Mayen in der Eifel bis zur Wartburg in Thüringen:

Infos: http://fleche.randonneure-deutschland.de

http://koeln.randonneure-deutschland.de

  1. Da muss ich die bayrischen Schutzleute in Schutz nehmen: Ohne Bußgeld konnten sie auch keine Punkte verleihen; es blieb bei „einer sehr, sehr ernsten Verwarnung, Herr Walter!“

    Um meine erneute Einreise in die deutschen Gebiete jenseits des Weißwurstäquators nicht zu gefährden, muss ich jetzt wohl doppelt brav sein …

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