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Laufmonster beim Syltlauf 2014

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33,333 km beim 33. Syltlauf – diese Zahlenkombination faszinierte mich als Mathematikerin natürlich, dazu noch die Möglichkeit, die Insel Sylt (annähernd) vollständig laufend zu durchmessen. Nachdem ich in den letzten beiden Jahren auf der Nachbarinsel Föhr den Marathon und 2013 auf Amrum im Rahmen des Mukoviszidoselaufs auch diese Insel kennen lernte, wollte ich jetzt Sylt ’erobern’.

Der Syltlauf führt vom Süden in Hörnum bis zur nördlichsten Gemeinde auf Sylt, List, und ist äußerst beliebt. Jedes Jahr kommen zahlreiche Wiederholungstäter, nicht nur aus der näheren Umgebung, sondern aus ganz Deutschland, Dänemark, der Schweiz, Spanien; ein Teilnehmer reiste diesmal sogar aus Australien an.

Die begehrten Startplätze waren nach Eröffnung des Anmeldeverfahren Anfang Juli 2013 (!) auch diesmal innerhalb kürzester Zeit vergeben.

Mit einem frankierten Rückumschlag ’bewarb’ ich mich frühzeitig auf dem ausschließlich möglichen Postweg und nach weiterem Schriftwechsel und Entrichtung des Startgeldes in Höhe von 50,00 € erhielt ich eine Ansichtskarte mit der ersehnten Startnummer.

Um mir Stress zu ersparen, reiste ich bereits frühmorgens zwei Tage vor dem Lauf mit der Bahn aus Köln an. Natürlich hatte diese Verspätung, der Anschlußzug in Hamburg war weg; ich schlug mich mit der Stadtbahn bis Hamburg-Altona durch und kam schließlich um 17 Uhr in der Jugendherberge Westerland an. Nach den schönen Frühlingstagen empfingen mich dort 6°, Wind und Nieselregen.

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Am nächsten Morgen klarte es dann zunehmend auf, aber der böig auffrischende Wind machte schon den Strandspaziergang mühsam und ließ mich für den Wettkampftag Schlimmes befürchten.

Ab 15 Uhr konnte man die Startnummer, einen Sylter Becher und eine Dose Hustenbonbons (!) im Congress Centrum in Westerland abholen und sich auf der Pastaparty mit zwei verschiedenen Nudelgerichten und einem Getränk stärken. Von dieser im Startgeld inbegriffenen Möglichkeit machten viele Gebrauch, so dass ich nur mit Mühe einen Sitzplatz im großen Veranstaltungssaal ergattern konnte. Eine kleine Verkaufsmesse und ein Bühnenprogramm, das von Mitgliedern des veranstaltenden Vereins TSV Tinnum 66 veranstaltet wurde, rundeten die Veranstaltung ab.

Am nächsten Morgen war es dann soweit: Mit Sonderbussen wurden wir von Westerland nach Hörnum im Süden der Insel gebracht. Im dortigen „Fünf-Städte-Heim“ konnten wir uns umziehen und die Sporttaschen in den bereitstehenden Bekleidungsbussen deponieren, die diese zum Ziel nach List transportierten. Mit der Startnummer gab es auch die Möglichkeit, bis Montagmittag alle öffentlichen Busse kostenlos zu nutzen.

Pünktlich um 10 Uhr erfolgte der Start, und 1.412 Läufer, aufgeteilt in 710 Einzelläufer und 57 Staffeln, wurden vom Meeresgott Ekke Nekkepen auf die 33,333 Kilometer lange Strecke nach List geschickt. Es war stark bewölkt, der Nieselregen entwickelte sich immer wieder zu stärkeren Regenschauern, und der leicht seitliche Gegenwind der Stärke 7 brachte Sturmböen mit sich.

Schon in seiner Ansprache zum Start hatte ’Mr. Syltlauf’ Franz Beilmann uns mehrfach ermahnt, bis Wenningstedt nur mit ¾ des gewohnten Tempos zu laufen, denn erst dahinter würde es richtig anstrengend werden. Die Veranstaltung fand bisher bei jedem Wetter statt – auch bei extremer Wetterlage wie 1984 und 1992, wo gegen orkanartige Sturmböen mit Eis und Schnee angelaufen werden musste. So ist auch die Zielgruppe des Syltlaufes laut Ausschreibung ’der gut trainierte Volksläufer im Breitensport’.

Ich versuchte, möglichst im Windschatten zu laufen, um Kräfte zu sparen, aber der starke Wind aus Nordwest mit seinen unvermittelt angreifenden Böen gab uns kaum eine Chance. Zum Glück hielten meine zweilagige Funktionsunterwäsche und die Softshell-Jacke den Regen weitgehend ab.

Nach 9 Kilometern erreichten wir Rantum mit der ersten von insgesamt 4 Trinkstationen auf der Strecke. Es gab Wasser und Panaceo Sport, ein mir bis dahin unbekanntes und angeblich leistungssteigerndes Getränk. In Rantum galt als verbindliches Zeitlimit 11 Uhr. An der Jugendherberge ’Dikjen Deel’ vorbei, wo ich von meiner ’Fangemeinde’ mit stürmischem Jubel begrüßt wurde, ging es hinein nach Westerland. Auf der Kurpromenade bot sich ein besonderes Schauspiel: Da die Tide fast ihren Höchststand erreicht hatte, liefen wir dicht am aufgewühlten Meer mit seiner weißen Gischt entlang.

Hier standen trotz des Regens hunderte Menschen und feuerten uns an. Bei Kilometer 16 war die Strandmuschel erreicht, und es gab wieder etwas zu trinken sowie (nur auf ausdrücklich geäußerten Wunsch hin) ein kleines Bananenstückchen. Diesmal griff ich zum angewärmten Panaceo, denn das eiskalte Trinkwasser mochte ich meinem Magen nicht wieder zumuten. Da ich die obligatorische Durchgangszeit von 11.50 Uhr unerwartet großzügig unterbot, schöpfte ich Hoffnung, die vorgegebene Zielzeit in List von 14:00 Uhr zu schaffen. Wie stand drohend in der Ausschreibung: “Durchgangszeiten und Zielzeit sind nicht verhandelbar. Wer diese nicht schafft, wird aus dem Rennen genommen und vom Besenwagen eingesammelt.“

Mit neuer Motivation ging ich die zweite Hälfte des Laufs an, die allerdings nicht einfacher wurde – im Gegenteil: Die Strecke wurde welliger, der starke Wind noch unberechenbarer, und die breite Dünenlandschaft rechts und links bot keinen Schutz mehr. Auch gab es nur noch vereinzelt Zuschauer, die uns hätten anfeuern können.

Nicht alle Straßen waren gesperrt, aber wegen des schlechten Wetters begegneten uns nur wenige Autos. Nach Wenningstedt und Kampen mit der Verpflegungsstelle bei km 22 (obligatorische letzte Durchgangszeit 12:35 Uhr) sah ich immer mehr Läufer zu Fußgängern mutieren. Ich litt mehr unter Durst und sehnte die Verpflegungsstelle in Klappholtal bei km 28 herbei.

In List musste ich meine letzten Kräfte aufbieten, denn die Strecke entlang der Hauptstraße stieg stetig an, und es gab zeitweise fast waagerechten Regen. Eine Zuschauerin reichte mir einen Becher Cola, den ich dankbar annahm. Vor dem Hotel Arosa bogen wir nach links über die Straße, und ein extrem starker Wind empfing uns auf der langen ’Zielgeraden’. Spätestens jetzt fragten viele Teilnehmer, warum man die gesamten 33,333 km nicht rückwärts laufen kann.

Das Ziel lag an der so genannten Alten Grundschule in List. Jeder Finisher wurde mit Namen begrüßt, und Läuferinnen erhielten eine rahmweiße Baccara-Rose.

Bei den Männern gewann laut Champion Chip-Zeitmessung Ingmar Lundström in 2:11:28 h, bei den Frauen Manuela Sporleder in 2:23:53 Stunden. Beste Staffel war der Lauftreff Uelzen mit dem Staffelnamen „Hurricane“ in 2:09:08 h.

Ich selbst kam zu meiner Erleichterung deutlich unter der gesetzten 4-Stunden-Grenze nach 3:28:00 h ins Ziel und wurde damit 120. von 197 Frauen.

In den Räumen der Grundschule gab es eine sehr aufwendig gestaltete Medaille, heiße Brühe, Wasser, Panaceo Sport und (diesmal reichlich) Bananen. In den Bekleidungsbussen holte ich meine Tasche ab, zog mich, so schnell ich konnte, mit klappernden Zähnen um und bestieg einen bereitstehenden Läuferbus, der uns zurück nach Westerland brachte. Dort besuchte ich das Bad ’Sylter Welle’ und genoss das warme Meerwasser mit den Sprudeln, die ich als willkommene Massage äußerst erfolgreich für meine Beine nutzte.

Zur Siegerehrung ging es dann in einem 8minütigem wieder von starkem Wind begleiteten Fußmarsch in das bekannte Congress Centrum. Dort wurden ab 16:30 Uhr Gesamt- und Altersklassen-Sieger, Vereinsmeister und Staffeln auf der Bühne geehrt und erhielten Sylter Milchkannen oder ein Fahrrad, Präsentkörbe oder einen wunderschönen filigranen ’Pokal’ in Inselform überreicht. Zwischendurch holte ich meine Urkunde ab. Bei der abschließenden Verlosung flogen Tennisbälle in den Saal, deren Fänger diverse Sachpreise in Empfang nahmen.

Fazit: Dieser wegen seiner äußeren Bedingungen anspruchsvolle Lauf hat tatsächlich das Zeug zum ’Kult-Ereignis’ und lohnt auch eine weite Anreise. Allerdings sollte man ihn ernst nehmen und dafür wie für einen Marathon trainieren.

Veranstalter

Bericht auf Sylt TV

Fotos: Privat

8 Kommentare zu „Laufmonster beim Syltlauf 2014“

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  2. Hallo Verena,

    super Bericht über einen Lauf, der auch (wie die Insel selbst) auf meiner Wunschliste steht. Man kann Wind und Regen quasi mitfühlen, wenn man das so liest :)

    Viel Glück für Dein Vorhaben in Bonn!

    LG Manuel

  3. Hallo Verena,

    sehr schöner Insel-Bericht. Da haben wir dann ja bald alle friesischen Inseln durch, oder? Herzlichen Glückwunsch auch zu Zeit und Platz bei den dort nicht frühlingshaften Bedingungen. Ich habe übrigens vor, uns wieder auf Föhr zu vertreten, falls es denn mal wieder mit richtigem Laufen geht. Oder bist Du auch wieder am Start als bekennende Inselläuferin?

    Viele Grüße

    Harald

  4. Hey Verena, mal wieder ein besonderer Lauf von dir, den du da erfolgreich bewältigt hast. man kann den Gegenwind echt gut mitfühlen.
    Da der nächste Marathon ja schon wieder ansteht, ist wohl nix mit Erholung…

  5. Hallo Verena!

    Glückwunsch und großen Respekt über eine tolle läuferische Leistung. Alle Achtung, das muß dir einer mal nachmachen und das bei diesen von dir beschriebenen Wetterbedingungen. Einfach toll! Nun erhol dich jetzt, du hast es dir verdient. Zum Schluß noch „Danke“ für den großartigen Bericht.

  6. Hi Verena!!
    Hast du es also auch gewagt gegen den Sylter Sturm anzukämpfen. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Leistung. Ich kann es nur allzu gut nachempfinden, wie du da auf den letzten Kilometern gekämpft hast. Mir ging es im letzten Jahr am gleichen Ort genauso. Deshalb nochmal richtig fetten Respekt und ich hoffe du konntest dich inzwischen einigermassen erholen!! Danke natürlich auch für den super Bericht. Hat mich echt „Zurück in die Zukunft“ – like 1 Jahr zurück versetzt. ;)
    LG Daniel K.

  7. Hallo Verena,

    Herzlichen Glückwunsch zu Deinem Lauf bei diesen Wetterbedingungen. Ein Wahnsinn! Und in Bonn läufst Du schon den nächsten Marathon……
    Ein toller Bericht. Jetzt steht der Sylt-Lauf auch auf meiner Wunschliste.

    Liebe Grüße
    Gabi

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